8.3/10.0
Auf dem Cover
des Gorillaz-Albums geben sich die vier virtuellen Viertel der Gruppe zugeknöpft. Viel unpersönlicher als die ursprüngliche Inspiration dieses Bildnisses, dem letzten
Beatles-Album
Let it be höchstselbst. Doch im Gegensatz zur Bandsituation während des beweinten finalen Albumreleases Letzterer, steht das von
Damon Albarn, seines Zeichens Freigeist, Allroundmusiker und Reisender, künstlerisch hochgradig zurechtgelegte Musikprojekt 2005 in der Blüte seiner Jugend.
Und doch beschäftigen sich die Texte und Hintergründe der Scheibe mit düsteren Dämonen, der Vergänglichkeit der schönen Natur unseres Planeten, und einer Wand von pessimistischen Ausdrücken und - in manchem Song schon fast Depression. Man muss kein Genie sein, ja lediglich mindestens ein funktionierendes Hörorgan bereithalten, um zu überreissen, dass sämtliche Mitspieler an
Albarns Tisch möglicherweise an einem Jahrhundertalbum beigetragen haben.
Dass Zombies auch keine schlechten Dämonen abgeben, darf man schon in der ersten
Intro-Minute herausfinden. Kult-Kino wie der 70er-Streifen
Dawn of the Dead darf das Setting dieser Platte - die tatsächlich auch auf Vinyl für gute Verkaufszahlen sorgte - für sich bestimmen und die gesenkte Stimmung in die ersten Tracks einfahren lassen.
2D muss seine Lyrics in
Last Living Souls erst freistrampeln und setzt im Refrain mit Albarns klagendem Gesang dafür viel Gefül ein. So viele stimmliche Tonlagen in einem Song gebündelt, hörte man bis zu dem Zeitpunkt ja eigentlich eher selten.
Kids with guns, das als doppelte A-Seite zusammen mit Track 7 gegen Ableben des Albums, fast ein Jahr nach dessen Veröffentlichung, als Single erschien ist nach dem melodiösen Auftakt schon die zweite tolle Spitze von
Demon Days. Für mich ausschlaggebend sind die tollen Drums in dem Stück, die den elektronischen Untergrund gar nicht besser taktieren könnten.
O Green World liefert die erste richtige Ohrwurmgefahr, avancierte schon früh klar zu einem der vielen Fanlieblinge - obschon von Kritikern als überfordertes
Alltogether abgetan. Ich erinnere mich gut, dass es für mich der erste Sammelpunkt war, an dem ich an der Genialität des zweiten großen
Gorillaz-Studioalbums (nach den von Experimenten und Remixes durchsetzten
G-Sides) bereits als unabstreitbar empfand.
Textlich und mit einer musikalischen Achterbahn legt der
San Fernandez Youth Chorus gemeinsam mit Rapper und
The Pharcyde-Mitglied
Bootie Brown (einem waschechten Kollegen von
Fatlip, den ich schon im Kreise seiner fragwürdigen Zusammenarbeit mit den
Chemical Brothers behandelte) in der Single
Dirty Harry nach, lockert die mittlerweile gehobene dämonische Stimmung fast tanzbar auf, bevor einer der großen Superhits der Band,
Feel Good Inc., für lachende Gesichter, vom Video erstaunte Fans und ein großartiges zurückhaltenes Gitarrenriff sorgt. Die Formation
De La Soul sorgte zusehends dafür, dass diese erste Single nach drei Jahren das große Wiederaufleben der
Gorillaz einläutete.
"Windmill, windmill, farm the land. Turn forever, hand in hand .." blieb nach Jahren noch erfolgreich einer der größten Mitgröhler in ihrem Repertoire.
Auch wenn das vornehmliche Uptempo (prinzipiell befindet sich die Band ja in einem gigantischen Down, welches der augenlose Sänger
2D in der zusammenfassenden Meinung zum
Feel Good Inc.-Video mit folgenden Worten beschreibt:
"I think Gorillaz built a tower around themselves that they couldn't get out of; of excess and debauchery.") mit dem darauffolgenden Track und zweiten Teil der vorhin angesprochenen Double A-Side,
El Mañana, unheimlich stark zurückschalten muss, so bürgt der - meiner Meinung nach - bedrohlich traurigste Song der Band
überhaupt für Genre- und Stimmungsqualität. Diesen Song kann man immer hören und bei keinem Durchlauf geht er hirnlos an einem vorbei.
Das Video, das Gitarristin
Noodles Tod vortäuschte, sorgte jahrelang für Kontroversen zwischen Fans - vorallem da ein Nachfolgewerk viel zu lange auf sich warten ließ.
Every planet we reach is dead, der größte Geheimtipp auf diesem hochkarätigen Album, kann die wie wahnsinnig betrübte Stimmung nach diesem Klassiker nur auffangen. Musikalisch legt aber immerhin der zu dem Zeitpunkt schon lange schwer kranke
Ike Turner nach und liefert unter Albarns wachsamen, Künstler-verehrendem Auge, ein solides Zusammenspiel ab.
Demon Days präsentiert sich sympathisch tragend und auch
November has come, Track 9, hat keinen Grund daran was zu ändern.
All alone beschreibt für mich schließlich einige Eindrücke, die das Team um die virtuelle Band auf ihren musikalischen Erfahrungen der Jahre davor sammeln konnte. Die fast geisterhafte Wiederholung des Tracknamens führt schließlich zu engelsgleichem Gesangsorgasmus:
"Close your eyes and see / When there ain't no light / All you'll ever be / Come and save the night" heißt es da. Gefiel mir ebenfalls schon vom ersten Hören an. Lieder wie diese laden zum aktiven Tagträumen ein.
White Light hingegen betrachte ich als das einzige Experiment, das es auf dieses runde Studioalbum schaffte und da nur bedingt etwas zu suchen hat. Vielleicht eine gut klingende Schwachstelle und bezeichnend dafür, dass die erste Hälfte des Albums doch eine Spur besser und vorallem unterhaltsamer ist.
DARE (dank
Damon Albarns Zustimmung mit
Shaun Ryder am Start) straft solche Aussagen aber fast Lügen. Im United Kingdom holte Track 12 den ersten Platz der Single Charts und bezeichnet einen weiteren Meilenstein in der
Gorillaz-Videographie.
2Ds Backvocals wurden fast vollkommen aus dem Lied genommen um
Noodle neben
Ryder die komplette Bühne zu überlassen. Kaum ein Song der Gruppe begeistert so saucool wie dieser.
Der abschließende Dreiteiler mit
Dennis Hoppers (neben
Ike Turner ebenfalls schon verschieden) beruhigender Erzählstimme in
Fire coming out of the monkey's head - das durchaus als Metapher für die Ausbeutung der Ressourcen auf unserer geliebten Erde herhält - dem Gospel-Chor beinhaltenden
Don't get lost in heaven und den beruhigenden Klängen des Titellieds
Demon Days - Tracks, die leider viel zu zügig vorrüber ziehen - ist eine gute Variante um die dunklen Themen dieses Albums die Tür zu zeigen.
Nur Erinnerungen von gigantisch makaberen musikalischen Auseinandersetzungen mit dem Bösen in uns und unserer Welt bleiben zurück - die
Gorillaz ziehen sich nach dieser Leistung lange zurück und werfen ihren Fokus hinterher erneut vollkommen um.
Demon Days ist ähnlich wie ihr
erstes Album, jedoch viel innovativer und großspuriger, definitiv eine Scheibe, die man sich merkt. Es hat Pophits, es hat Geheimtipps, es hat gute Gäste und ein eingängiges Konzept, tragende Melancholie und auch schnelles Funkfeuerwerk.
Keine Frage, es handelt sich hier um das bisher beste Ding der Band.
StrawHat
(ringt auch mit Dämonen)
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TRACKLIST & HIGHLIGHTS:
01
Intro
02
Last Living Souls
03
Kids with guns
04
O Green World
05
Dirty Harry
06
Feel Good Inc.
07
El Mañana
08
Every planet we reach is dead
09
November has come
10
All alone
11
White Light
12
DARE
13
Fire coming out of the monkey's head
14
Don't get lost in heaven
15
Demon Days
[Try the whole thing please]
LINKS:
FEEL GOOD INC. MUSIKVIDEO:
http://www.tape.tv/vid/9201
DARE MUSIKVIDEO:
http://www.tape.tv/vid/168661