Freitag, 17. Mai 2013

1.7.4 Daft Punk - Random Access Memories

 
8.8/10.0

So lange auf ein weiteres Werk warten zu müssen, ist pure Tortur. Ich erinnere mich an viele Punkte in den letzten 8 Jahren, an denen ich mir fast nichts sehnlicher wünschte, als ein neues Studioalbum von Daft Punk in den Händen halten zu können.
Das ist reichlich Zeit um sich alle möglichen Werke und Fortsetzungen auszumalen. Als treuer Fan denkt man irgendwann, den Genius vollkommen zu verstehen und ein architektonisches Gesamtkunstwerk in den rauf- und runtergehörten Alben zu erkennen, die Struktur der großen Hits und der anstrengenden Lückenfüllerpassagen bis zur Ekstase zu genießen. Als begeisterter Hörer und Verfolger des Duos wird man in den unzähligen Sessions mit Homework, Discovery und Human After All eins mit dem Groove und der unaussprechlichen Dynamik der Roboter. Sie bieten begleitende Tanzmusik, hörbare Emotion zu allen Lebenslagen. Wer von Daft Punk mitgerissen wird, wandelt in einem atemberaubenden positiven wie negativen wie neutralen musikalischen Strom.
Und ist zu irgendeinem Zeitpunkt mit brutaler Wartezeit auf Lebenszeichen konfrontiert.

Jetzt gehen wir auf Sommer 2013 zu und mit tatkräftiger Hilfe musikalischer Größen wie dem fleischgewordenen Discoriff Nile Rodgers, Allroundlegende Paul Williams oder Strokes-Krachstimme Julian Casablancas (u.v.a.) wirkt die jahrelange Daft Punk-Minimalportionierung (der TRON: Legacy O.S.T. kam mit diversen Beigeschmäckern) wie ein schrecklicher Albtraum, denn Random Access Memories ist zur Abwechslung kein Hoax, kein Gerücht und kein fankonstruierter Mutmacher auf YouTube. Das Disco-Schiff ist tatsächlich existent und vor offiziellem Release über die (mittlerweile mediale pfui-bäh) Amazon-Autobahn in meiner Anlage gelandet und hat mich gleichermaßen begeistert wie gerührt. Mission accomplie, messieurs.

Die angekündigte Wiederauferstehung des Disco-Genres ist mit allen gehaltenen Versprechen eingetreten, stimmige Instrumente schaukeln in diesem Abendfüller vor sich hin. Hört man es voll aufgedreht, bewegen sich Becken und Beine wie von alleine (reimt sich), gibt man sich die Kopfhörer und schließt die Augen, sieht man Farben und imaginäre Filmchen, gemischt mit Erinnerungen und Gedankenwelten. Und der Musikgott schütze euch, wenn ihr Selbstzweifel und Liebeskummer mit euch rumschleppt, denn die Herren packen mit The Game of Love und Within Geschütze aus, die nicht spurlos an euch vorrübergehen werden.
Und wir reden hier vom Herzstück dieses Werks - dem unaufhaltsamen Emotionspusher, der von Track zu Track umspringt und euch mit Facetten wie Biografie, Musical und Raketenlärm bearbeitet.
Diese Stimulation findet abwechslungsreich aktiv wie passiv statt, denn tatsächlich ist auf dieser LP viel Begleitmusik enthalten. Für mich ein unsterbliches wohl-klingendes Mischmasch, mit perfekt positionierten Gaspedalen und geschmeidigen Bremsen, extremen Ohrwürmern und der Reise zum Inbegriff des Funk.

Wohl-klingend könnte der Knackpunkt für viele sein, denn wer sperrigen Robotersound (wie zum Großteil auf Human After All enthalten) sucht, wird hier genausowenig fündig wie die Jäger nach Tanzekstasen der Extraklasse (Alive 2007). Es klingt nach Daft Punk, aber handzahmer, schmeichelnder, ermutigender. Kein Gutes Beispiel für diese Aussage mag das wechselhafte Touch sein, durch dessen interessant in Szene gesetzte Anfangsphase man erstmal durch muss, um den wichtigsten Eindruck von Random Access Memories zu gewinnen: Es lebt.
Und du tust gut daran, es mit dir mitleben zu lassen.

Wer sich also mit einer weiteren großspurigen Seite dieser Meister zurechtfinden möchte, greift bitte zu. Es ist eine der besten Scheiben der letzten Jahre und könnte zu einer wichtigen Eckfahne in diesem Jahrzehnt heranreifen, lässt man es wachsen und stopft allen Zweiflern die Mäuler. Wer sich angewidert wegdreht, trägt ein schwer - aber immerhin - heilbares Loch in seinem Musikgeschmack umher.

StrawHat
(got lucky)
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TRACKLIST & HIGHLIGHTS:

01 Give Life back to Music 
02 The Game of Love
03 Giorgio by Moroder 
04 Within
05 Instant Crush
06 Lose yourself to Dance
07 Touch
08 Get Lucky
09 Beyond
10 Motherboard
11 Fragments of Time
12 Doin' it right
13 Contact

[Try the whole thing please]