Samstag, 10. Juni 2017

1.45.1 Kendrick Lamar - Damn

9.0/10

Der Kendrick Lamar-Hypetrain kam 2012 so schnell auf mich zugefahren, dass ich bloß Zeit hatte ein Ohr hinzuhalten. Und was mir ein einziger Windstoß seines sogenannten Jahrhundertalbums Good Kid, M.A.A.D City ins Ohr blies, blieb zwar hängen, bestätigte mir aber auch, dass ich mit Hip-Hop dieses Formates - tief, aussagekräftig, verspielt, ehrlich UND neu - nichts werde anfangen können. Es blieb ein für mich geschätztes, wenngleich leicht belächeltes Genre.
Eine N.W.A.- und mehrere Kanye West-Phasen später kann ich nicht mehr behaupten, dass ein neues Album von Kendrick Lamar einfach an mir vorrüber ziehen kann.

Damn war letztes Frühjahr ein weiterer Zug, der wie aus dem Nichts auf mich zuraste. Hypen muss man den Künstler mittlerweile jedoch nicht mehr - er ist der große Erbe eines generationsdefinierenden Genres. Die Welt wartet auf seine Alben. Warum gerade dieses bei mir aufschlägt und jetzt bereits den Schatten eines Straward 2017-Abräumers wirft, kann ich nicht sagen.
Was ich jedoch sagen kann, ist, dass mich seine Beats für eine knappe Stunde abschalten lassen, wie es in den letzen Jahren nur selten der Fall war.

DNA, GOD, FEEL oder FEAR sind nur einige von Damns Weltnummern. Über 50 Mitwirkende scheinen sie in Form geklopft und zu einem Konzeptalbum herauspaniert zu haben - Mr. Lamars einzigartige Geschichtenerzählung über seinen Weg in seinem strauchelnden Heimatland ist Nummer für Nummer reich an Beat, sowie perfekten Beatbreaks. Wenn die Scheibe überhaupt Schwächen zeigt, dann vielleicht in den Kollaborationen mit Headlinern wie Rihanna oder U2. Wer auch immer Zacari ist, seine Nummer LOVE liefert, wie man es sich von den anderen erwartet hatte.

Alles in allem ist das Herz von Damn jedoch nicht die beeindruckende Perfektion der Produktion, sondern die Story über ein Naturtalent aus Compton, CA, dessen Leben ohne Vater und den Versuchungen des Ganglebens auf der Straße. Zum Glück wurde sie uns erzählt. 

StrawHat
(erzählt selber gerne)
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 TRACKS & HIGHLIGHTS:

01 BLOOD.
02 DNA.
03 YAH.
04 ELEMENT.
05 FEEL.
06 LOYALTY. (feat. Rihanna)
07 PRIDE.
08 HUMBLE.
09 LUST.
10 LOVE (feat. Zacari)
11 XXX (feat. U2)
12 FEAR.
13 GOD.
14 DUCKWORTH.
 
[Try the whole thing, please]

Freitag, 2. Juni 2017

1.18.4 Gorillaz - Humanz

6.9/10

Wie traurig, dass Damon Albarn mehr Zeit braucht, Busenfreunde und Mitstreiter im artistischen Kampf gegen die Absurdität unserer inhumanen Zeit in die Aufnahmestudios zu bringen, als ich brauche, um mich zu einem Review zu motivieren. In Ordnung, der mittlerweile 49-jährige Londoner hat die Zeit nicht ungenutzt verstreichen lassen - in den letzten Jahren erschien ein kompliziertes Soloalbum und - man mag es kaum glauben - sogar Blur vollzog ein Comeback. Uns jedoch sieben Jahre auf eine Gorillaz-LP warten zu lassen, ja sogar aus Überdruss das vorläufige Ende des Projekts auszurufen - dazu muss man schon fortgeschrittenen künstlerischen Scheißdrauf besitzen.

Wir schreiben das Jahr 2017, Berichte von Terroranschlägen in der ganzen Welt dominieren die Presse, Donald Trump wurde zum Präsidenten der Vereinigten Staaten von Amerika gewählt - es wurde höchste Zeit, dass die virtuelle Weltuntergangsband wieder Flagge hisst und einem Tag der offenen Tür an namhaften Musikern passende, nämlich ermüdete, grantige, tendenziell gleichgültige, klanggetriebene Avatare bietet.
Denn um ihr gezeichnetes Ego, die fiktive Persönlichkeit, geht es bei den Gorillaz schon lange nicht mehr - der Name ist bald zwei Jahrzehnte alt, eine komplette Generation wurde bereits mit Clint Eastwood und Feel Good Inc. groß. Jamie Hewletts Figuren vermarkten heute nur mehr Message und Kollaboration.

Folglich klingt das Album Humanz nach "Okay, who's next?". Vince Staples? Fühlt sich geehrt. Benjamin Clementine? Albarns Bruder im Geiste. De La Soul? Buddy-buddy. Grace Jones, Anthony Hamilton, Pusha T, Popcaan? You name it, we got it.
Soll nicht heißen, dass sie bei der Fertigstellung ihres Eigenproduktionsmixtapes nicht auch Absagen kassierten - der Großteil muss aber wohl zugesagt haben: 40-45 leftover tracks sollen angeblich bereitliegen - "I can stay in the game for at least another 18 months, I reckon", sagte Mastermind Albarn in einem der zahlreichen Promo-Interviews.

Wir reden über Electropop-Material für 2-3 weitere Alben. Und während die abgeklärte Grundmelancholie der Gorillaz in all den Jahren nicht verloren ging - der zittrige Charme von Albarns Alter-Ego 2-D, mit dem das erste Album so viele Herzen erobern konnte, steht fernab vom Mittelpunkt des Projekts. Vielmehr schlüpft er in eine umgarnende, unterstützende Rolle (Hallelujah Money, Saturnz Barz), gar keine Rolle (Carnival, Strobelite), lediglich in strategisch gut platzierten Eckpunkten in eine Haupt- oder Erzählerrolle (She's my Collar, Busted and blue).
Alle diese Tracks eint im Grunde nur eine Sache - die unabstreitbare Qualität in ihrer ausgefuchsten, tanz- wie mitwankbaren Produktion. Bilden sie ein zusammenhängendes Werk? Kaum. Ein Trend, der im Laufe ihrer Veröffentlichungen zwar zugelegt hat, mir jedoch unterm Strich missfällt, denn am Ende des Tages bleibt ein launischer Tonträger übrig, bei dem du immer wieder aufs Neue nach guten Etappen fischen musst. Im Unterschied zu maximal wechselhaften Alben, die konzentrierter Wirken und damit meist einen einzigen Gesamteindruck hergaben, zu dem man immer wieder gerne zurückkehrt.

Humanz hätte mehr Fokus gut getan. Aber wer kann sich beim Ende der Welt schon auf eine einzige Sache konzentrieren?

StrawHat
(kritisiert in regelmäßigen Abständen)
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TRACKS & HIGHLIGHTS:


01 Intro I Switched My Robot Off
02 Ascension (feat. Vince Staples)
03 Strobelite (feat. Peven Everett)
04 Saturnz Barz (feat. Popcaan)
05 Momentz (feat. De La Soul)
06 Interlude The Non-Conformist Oath
07 Submission (feat. Danny Brown & Kelela)
08 Charger (feat. Grace Jones)
09 Interlude Elevator Going Up
10 Andromeda (feat. D.R.A.M.)
11 Busted and Blue
12 Interlude Talk Radio
13 Carnival (feat. Anthony Hamilton)
14 Let Me Out (feat. Mavis Staples & Pusha T)
15 Interlude Penthouse
16 Sex Murder Party (feat. Jamie Principle & Zebra Katz)
17 She's My Collar (feat. Kali Uchis)
18. Interlude The Elephant
19. Hallelujah Money (feat. Benjamin Clementine)
20. We Got the Power (feat. Jehnny Beth)

CD 2

01 Interlude- New World
02 The Apprentice
03 Halfway to the Halfway House
04 Out of Body
05 Ticker Tape
06 Circle of Friendz