Freitag, 30. März 2012

2.37 GLOVER (N64)


1998 ließ Hasbro Interactive ihr einziges Projekt für den Nintendo 64 auf die Welt los. Mit schwierigen Controls und einer dumpfen, wenn auch süßen, Story ausgestattet, erlangte Glover nie tatsächlichen Ruhm, geschweige denn ein Fünkchen Rampenlicht.
In der folgenden Strawpinion erläutere ich euch, warum mir das Spiel dennoch gut im Gedächtnis blieb und daher einen Platz in der Rückblick-Reihe auf Games vergangener Tage findet.
Selbstverständlich, wie kann es auch anders sein, ist unter anderem die überraschend vielseitige musikalische Untermalung für den einen oder anderen Playthrough verantwortlich.

In Glover lenkt ihr Glover (stark, was?), einen von zwei magischen Handschuhen eines begabten, wenn auch namenlosen, Zauberers. Als dieser eines Tages beim Brauen eines Zaubertranks versehentlich für eine Explosion sorgt, befördert er seine mit magischem Bewusstsein versehenen Helferlinge an den Händen vor Schreck aus dem Fenster und in den unheilvollen Topf. Die Zauberkristalle um das magische Schloss gehen in diesem Zuge ebenso verloren. Und wäre jenes Unglück nicht groß genug, verstummt der alte Tollpatsch schließlich als Stein im Keller des Anwesens.
So viel Pech für so einen kleinen Handschuh! Denn hinterher stellt sich auch noch heraus, dass sein im Zaubertrank versenktes Gegenstück zum düsteren Cross-Stitch mutiert, und den Gegenspieler mimt.
Wenigstens konnte Glover mit seiner eigenen Magie rechtzeitig dafür sorgen, dass die fragilen Zauberkristalle als Gummibälle getarnt, vor dem Zerbersten geschützt wurden.
So lässt der strebsame Handschuh keine unnötige Zeit verstreichen und nimmt die Finger in die Hand, beginnt die Kristalle wieder im Schloss zu versammeln, um den Tag zu retten.

Diese Reise führt ihn in unterschiedliche Themenparks. Ihr streift durch Atlantis, eine der Legende um die im Meer versunkenen Stadt nachempfundenen Ebene, einen für solche Titel beinahe obligatorischen Zirkus, eine Piratenbucht und -stadt, eine mittelalterliche Phantasieburg, ein prehistorisches Vulkangebiet, und schließlich den Weltraum. Glover selbst ist mit äußerst simplen Fähigkeiten ausgestattet. Erst in Verbindung mit dem großen Kniff des Spiels, entfaltet das Gameplay richtigen Spaß:
Dem als Ball getarnten magischen Kristall!
Die eigentliche Aufgabe für den Spieler liegt nämlich nicht daran, den Stein zu finden, sondern ihn heil durchs Level zu transportieren. Und mit transportieren meine ich dribbeln, werfen, schießen und balancieren. Und mit Level meine ich oben genannte Themenparks.

Enge Passagen, mit schlichten, den Themen angepassten, Gegnern gefüllten Plätze, Steilkurven und Denkaufgaben werden durch das Spiel hinweg mit äußerst catchy Musik in Szene gesetzt. Die Entwickler sorgten sogar für unterschiedliche Tunes in den einzelnen Abschnitten - stets 3 an der Zahl - einer Stage. Die anschließenden Bossfights sind meistens durch einfache, jedoch präzise, Treffer zu lösen.
Reicht der flexible, jedoch verletzliche Gummiball für die Herausforderungen nicht, habt ihr die Möglichkeit den Kristall in Form einer Bowlingkugel einzusetzen, oder ihn als kompaktes Stück rundes Eisen, Magneten und anderen Umständen auszusetzen. Glover bietet somit für das kleine Kino erstaunlich lustige Kugelquests, die viel erlauben, außer das Teil in den Abgrund rollen zu lassen.
Die Grafik ist, wie zu erwarten war, das große Manko des Spiels. Die krass grellen Farben erheben zeitweise beinahe den Verdacht, es handele sich um seine eigene tschechische Raubkopie. Die Polygone waren so gut wie nie eckiger, die Hintergründe hauptsächlich einfärbig. Als hätten alle Mitarbeiter zu viel Spaß beim Programmieren des Sounds gehabt, anstatt sich um die anderen Aufgaben zu kümmern.

Man kann nicht davon sprechen, dass dieses Spiel auf dem Markt übersehen wurde. Games wie Glover gibt es in besserer Form en masse, da muss man selbst auf älteren Konsolen nicht lange graben.
Trotzdem ist der immerfreundliche Handschuh und seine Hand voll Charactersounds wie "Heh!" oder "Shazam!" (zumindest klang es verdammt nach Shazam) fest in meinem Herz verwachsen. Habt ihr also ein paar Stunden übrig und einen N64-Emulator zur Hand, dann ist es eventuell nur einen Google entfernt.

Im nächsten Monat widmet sich der Strawpinion-Rückblick (für den ich mir noch einen besseren Namen einfallen lassen muss) jedoch einem wesentlich bekannteren Spiel. Einem richtigen Kassenschlager - dafür muss hier schließlich auch Platz sein.

StrawHat
(Shazam!)
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GLOVER INTRO: http://youtu.be/837ctoIsiSY 

Mittwoch, 28. März 2012

2.36 SHADOWS OF THE DAMNED (PS3)



And now for something completely different:
Spätestens seit dem nicht mehr so geheimen Superknüller No More Heroes (zuerst auf Wii, dann unter dem Namen Heroes' Paradise auf PS3 und Xbox360 erschienen) muss Gelegenheitszockern das vielseitige japanische Talent Goichi "Suda 51" ein Begriff sein. Kenner stolperten selbstverständlich schon öfters über den Video Game Director.
Er ist klar ein Mensch der für zahlreiche Trademarks steht, die quer über seine Spielhistorie als offensichtliche Gags und Eastereggs verteilt wurden. Ja, man erkennt diesen Mann regelrecht an der Aufmachung eines Spiels, genauso wie man einen Quentin Tarantino förmlich riecht, wenn er auch nur entfernt mit einer Filmproduktion zu tun hat - ihr wisst, was ich meine.
Was passiert also, wenn man so jemanden eine Handlung über die abscheulichen Abscheulichkeiten jenseits von Gut und Böse und, vorallem, dem mysteriösen Jäger jener dämonischer Kreaturen aushecken und in Form eines Spiels durchziehen lässt?
Ganz genau: Shadows of the Damned passiert.
Und neben all den Gräueln, die dieser Third-Person-Shooter herzugeben vermag, verzichtet Mr. Suda auf den wichtigsten Bestandteil seiner genialen Konzepte nicht: Es ist sympathisch humorvoll.

Ja, auf Garcia F. Hotspurs Reise durch die Unterwelt erlebt man so manch grausame Überraschung. Der sowohl kalt- als auch großschnäuzige Mexikaner stellt sich jeder dunklen Ecke und der auftretenden, tödlichen Dunkelheit der Dämonen wacker, findet im entscheidenden Moment die richtige Kugel für den rettenden Ziegenkopf.
Aber das geht jetzt etwas schnell, fangen wir von vorne an:

Als der Dämonenlord Fleming Garcias Angebetete, Paula, als Revanche für all die von ihm exekutierten Finsterlinge in die Unterwelt entführt und verspricht sie jedes erdenklichen Todes sterben zu lassen, denkt der schlagfertige mexikanische Heißblüter keine Sekunde über Konsequenzen nach und jagt ihm hinterher. In Begleitung seines wandelbaren Sidekicks, dem britischen Totenschädel Johnson - der nicht nur ein nettes Trio an Schusswaffentransformationen auf Lager hat, sondern auch noch als Motorrad und Fackel dient - headshotted er sich durch ein Drehbuch voller verfluchter Seelen und mutierten Untoten, deren Hintergründe und Werdegänge nicht nur in unvergleichlich unterhaltenden Kurzgeschichten vorgelesen werden, sondern auch in geladenen Bossfights auf die Kacke hauen dürfen.
Garcias vorlautes Wesen, gepaart mit dem dämonischen Heimspiel der Bösen, ist die Grundlage für eine mitreissende und durch die Bank interessante Geschichte um die Bandbreite bedingungsloser Liebe und wehmütigem, doch blutreichen Horror.

Als atmender Mensch im Reich der Toten ist Garcias einzige nennenswerte Überlebenstaktik neben dem obligatorischen (gut ausgebauten und spaßigen) Geballere, die Sorge um genug Licht in der drückenden Dunkelheit, denn die zersetzende Dunkelheit nagt ihm förmlich die Haut vom Fleisch. So bietet eine gut gezielte Lichtkugel in einen dekorativen Ziegenkopf das bestehende Licht des Lebens. Den gerade mal mähenden Tierkopf jedoch zwischen und hinter den Massen angreifender, fleischversessener Zombies auszumachen, bietet die größte Grundlage im Gameplay - es gilt kleine Rätsel zu lösen und Schalter in der richtigen Reihenfolge auszulösen um an dieses Ziel zu gelangen. Zusätzlich setzt der dunkle Herrscher Fleming dem Spieler mit den unterschiedlichen Toden der armen Paula zu und verkompliziert durch das schleichende Wirken Licht-raubender Monster die Reise.
Garcias urkomische, fast zynische Dialoge mit der vorlauten, wenn auch zu Recht altklugen, bekehrten Dämonenwaffe Johnson wirken in keinem Moment fehlplatziert und spiegelt Suda 51s durchaus bekannten Hang zum skurrilen, sexistischen Sarkasmus und Humor wider.
Kurze 2D-Sidescroller-Passagen, die fast wie ein glaubhaftes Schattenmarionettenspiel wirken, lockern das brutale Genre auf und sorgen für Abwechslung im Headshot-Alltag. Upgradeedelsteine, unter anderem zu kaufen beim Mensch/Dämonen-Redneck Christopher, verbessern Garcias Fähigkeiten und Waffen laufend - ein steter Aufwärtstrend im Spielspaß wird somit allein durch Fortschritt garantiert.

Selbstverständlich lauert am Ende der von Lust, Gedärmen und Wortspielen zersetzten Geschichte ein typisches Suda 51-Ende, das Fanherzen befriedigt und oben angesprochene Gelgenheitszocker überraschen wird. Shadows of the Damned bietet auf einem halben Dutzend Ebenen dermaßen gute Unterhaltung, dass es sich schonmal nach Flugticketpreisen zu den kommenden Strawards 2012 umsehen sollte.

Große Empfehlung von mir an dieser Stelle, für ein herausragendes, gegen Ende ein Stück zu arg gerushtes Abenteuer.

StrawHat
(kann Quentin Tarantino riechen)
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SHADOWS OF THE DAMNED LAUNCH TRAILER: http://youtu.be/SzxXa6UosbU

Samstag, 24. März 2012

1.28 Deichkind


Ein bisschen Voodoo.
Lass dich befreien!
Das wird dir gut tun.
Das macht dich high.
Spirale dreht sich.
Was ist passiert?
Ist da etwa jemand ..
.. hypnotisiert?*
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Gruppentherapie, Konzertwahnsinn, Gaukler, Selbsterfinder.
Die stets einen neuen abgesägten Baumstamm flussabwärts reitende Formation Deichkind trägt unter Bandmitgliedern und Fans viele Namen. So viel Lob und Skeptik für eine Bande, die ursprünglich entstand wie zig andere Hamburger Hip-Hop-Projekte - aus Freundschaft, Spaß an der Freude und überzeugend schlagfertiger Performance am Mic. Sechzehn Singleauskopplungen später ist von diesem Hip-Hop zwar keine Spur mehr, doch kursiert ihr Name weitaus geläufiger als die der berühmten Kollegen. Kein Wunder: Sie verkaufen ihre Schiene durch und durch selbstironisch und sympathisch, wenn auch etwas leicht zugänglich und Party-orientiert, unterm Strich jedoch nicht mal annähernd so stuck-up wie viele aus der selben Ecke.
Warum die Jungs um Deichkind, DJ Phono, Kryptic Joe, Porky und Ferris Hilton, um einige Verantwortliche zu nennen, in den letzten zwei Wochen außgerechnet auf Strawpinion für Remmidemmi sorgten, erklär ich euch innerhalb der folgenden Absätze.

1 - Fachjargon
Dieses Lied ist leider nicht verfügbar in Ihrem Land : /
Unsere Antwort kennt ihr sicher, sie heißt: Widerstand!
6 Milliarden Terrabyte, die Leitung brennt wie nie.
Das hier ist kein Klingelstreich, das ist Anarchie!**

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Der Humor machts. Einmal gekostet, macht sich der Spaß, den Deichkind im Studio und auf der Bühne erzeugt, in den Köpfen der Hörer breit und zaubert ein breites Grinsen auf die schwermütigen Gesichter. Natürlich darf man nicht mit gigantischen Erwartungen an die Sache heran gehen, selbstverständlich sind sie nicht die Besten ihres Fachs, hauen willkürlich unter Gürtellinien und bedienen sich unter anderem auch primitiven, wenn auch wichtigen Punkten des Lebens. Wer will denn bitte nicht wissen, wer im Club der dicken Bäuche verkehrt? Wer möchte nicht erleuchtet werden, was auf dieser Welt leider geil ist? 
Doch egal ob sie es mit Mittelklasse-Hip-Hop oder Überdurchschnitts-Electronic tun - sie bringen ihre Meinung über die GEMA, oder den leider unaufhaltsamen Computerfortschritt unter dem allgegenwärtigen Apfelsymbol kurzweilig und präzise an den Mann. Und rappen sie nur über Drogen, dann kann man sich sicher sein jene Rauschmittel auch ohne Einnahme besser verstehen gelernt zu haben. Ja, ich muss fast meinen: Deichkind erfüllt erhobenen Hauptes einen äußerst anstrebsamen Bildungsauftrag. Das war den Herren vor dem Lesen dieser Zeilen sicher nicht einmal bewusst. Tja, Freunde - so kann's gehen.


2 - Rauf und wieder runter
Deine Zweifel waren groß -
niemand hat sich interessiert
Du spürst wie's langsam leichter wird,

das Schlimmste ist jetzt hinter dir!
Du bist noch ganz benommen,

wir sind bald angekommen.
Du brauchst jetzt nicht mehr zu weinen,

denn ich hab dich an die Hand genommen.***
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Doch auch anfassbare Formationen wie Deichkind fallen früher oder später hart auf die Fresse. Wechselnde Besetzung aufgrund interner Streitigkeiten, fehlender Charterfolg trotz bemühtem Marketing und schließlich der tragische Tod von festem Bestandteil des Freundeskreises, nicht zuletzt Produzent und Mastermind der Band, Sebastian Hackert. Der für den Mix verantwortliche "Papa der Gruppe" stand im Hintergrund, managete den Stil und sprang daher weit weniger in den berüchtigten Plastikkostümen an der Front herum wie es der Rest, der gut bebauchten Truppe, auf ihren Konzerten zu tun pflegten und pflegen. "Sebi" verstarb im Februar 2009, hinterließ Frau und Sohn, und eine ausschließlich von Freunden besetzte Gruppe, die ein grob geschätztes halbes Jahr lang nicht wusste wohin sie gehen sollte. Solche Zeiten wünscht man keinem.
Doch Deichkind entschied sich geschickt zum Weitermachen und sorgten mit dem Anfang des Jahres erschienen Album Befehl von ganz unten für ein weiteres Kapitel ihrer wiedergeborenen Bandgeschichte, bewiesen Skills in musikalischen Genres, die das Deichkind zu Gründungszeiten um die Jahrtausendwende nicht nachvollziehen könnte. Der neue Regisseur DJ Phono konzipierte über drei Jahre hinweg eine ausgeklügelt choreographierte Bühnenshow, ihrer Diskurs-Operette: Deichkind im Müll selbstverfreilich nicht unähnlich.
Ihr Produkt schwankt nach all dem immer noch stark zwischen Party-Proll und berauschender Kunst - sowohl der Livefokus als auch die erwürgend melancholischen, plötzlich erschreckend tiefen Redewendungen und Reime. Am Ende wird ein Nenner gefunden, wie auf dem 2008 erschienen Album Arbeit nervt, unter dessen Flagge eine für Jedermann zugängliche Aussage propagiert wird. Solche starken Tracks kommen nicht von Ungefähr, da liegt Planung und Arbeit dahinter.
"Für sich genommen ist unser Beruf durchaus stressig, auch wenn Außenstehende vielleicht denken, wir machen nur Unsinn", legte Phono in einem fast überzeugend ernsten Interview mit der TAZ fest. 

3 - Electric Super Dance Band
Hab ich gesagt machst du so?
Hab ich gesagt mach so!****

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Für mich bietet Deichkind stets gute Unterhaltung. Ich kann nach dem hundertsten Durchlauf der schrägsten Texte noch darüber lachen, bestechend gute elektronische Feuerwerke gibt's obendreien, das Konzert in Erlangen war eine beeindruckende Feier und in all dem melodischen Klangbrei, den ihr angeblich nicht wirklich erzieltes Genre hergibt, gibt es dank der vielen Einflüsse immer genug Intellekt zu finden, um sich nicht gänzlich geistig hängen lassen zu können. Die Aussage stimmt, die Aufmachung stimmt - alleine deswegen bieten sie also schon bessere Unterhaltung als jeder zweite amerikanische Independent-Film, mit dem man versehentlich seine Zeit verschwenden könnte.
Natürlich muss man sie lustig finden und politischen Messages, auf die du und ich auch kommen könnten, Platz lassen. Es soll Menschen geben, die sich trotz der in diesem Text genannten Argumente für Deichkind auch abschrecken lassen und die vielköpfige Truppe in eine der vielen Schubladen stecken, in die genug musikalische Acts hineingehören. Meiner Meinung nach hat sich die Formation das Tamtam jedoch hart erarbeitet und nicht nur irgendwie findet sich auf dieser Welt immer ein bisschen Platz für ihre Art Kunst. Die Dynamik ihrer Longplayer hat zudem einen Platz im Regal jedes Interessierten verdient. In trüben partylosen Tagen wird der eine oder andere Track doch noch ausgegraben. Und kommt ihr Befehl von ganz unten, so bleibt für die Zukunft wenigstens noch Raum nach oben.

StrawHat
(beendet die Deichkind-Special Week zu spät)
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STRAWPINIONS:

Absolute (unbekanntere) Anspieltipps: Flammenmeer (Teil 1), Evergreens, Slangdaddy, Show'n'Shine, Silberweidenpark, Ich und mein Computer, 23 Dohlen, Befehl von ganz unten****, Der Mond, Illegale Fans**, Pferd aus Glas
Absolute (bekanntere) Anspieltipps: Bon Voyage (feat. Nina), Limit, Voodoo*, Remmidemmi (Yippie Yippie Yeah), Ich betäube mich (feat. Sarah Walker), E.S.D.B., Arbeit nervt, Luftbahn***, Leider geil (Leider geil), Bück dich hoch


LINKS:


"SCHAM IST EIN ZAUBERWORT" - TAZ-INTERVIEW: http://www.taz.de/!25120/

Freitag, 16. März 2012

3.2 Deichkind - Befehl von ganz unten-Tour - Erlangen 15.03.12


Als die Videoleinwand - die seit dem Einlass stimmungsvolle Bilder zu elektronischen Publikumsvorheizern zeigt, die durch die Heinrich-Lades-Halle donnern als hätte es nie andere Musikgenres gegeben - schließlich erlischt und die Bühne beleuchtet wird, zieht selbstverständlich ein erwartungsvolles Raunen durch die Menge.
Eine Viertelstunde länger lässt sich Deichkind Zeit. Ein ellenlanges Intro, voller aussagekräftiger doch langatmiger Bilder zur Vorgeschichte zum Befehl von ganz unten - erneut auf Leinwand - steht zwischen massig mit LED ausgestattetem Publikum und hochkarätiger deutscher Konzerterfahrung.

Doch mit einem Mal hat das Warten ein Ende und grelle Lichter beleuchten bloß für Sekundenbruchteile Pyramidenköpfe auf menschlichen Körpern. Das landende Dröhnen von Tetrahedon fließt in die bereits vom Album zur Tour bekannte Explosion von 99 Bierkanister über. Das Publikum springt in einer Welle der Bühne entgegen. Ich mittendrin.
Und Deichkind bringt fast alles. Von den aktuellen Singles Bück dich hoch und Leider geil (Leider geil) bis zur zweiten Reihe des neuesten Albums, große Nummern von Arbeit nervt, den berüchtigten 23 Dohlen und ganz alten Geschichten, ja selbst Bon Voyage - leider etwas lieblos, wenn auch modern, heruntergerasselt - ist mit von der Partie.
Die Jungs sind ständig in Bewegung, für jeden zweiten Track wird das Kostüm und das Bühnenkonzept abgeändert. Pferdekostüme tanzen über leuchtende Balken, Hüpfburgen drehen sich um die eigene Achse, Konfettigeschosse knallen hoch zu den Plätzen der oberen Etage. Niemand wundert sich, jeder tanzt.

Die Setlist wurde allem Anschein nach auf einen kaum wechselnden Standard herabgestumpft. Deichkind hat ihr Konzert sozusagen erfolgreich optimiert, jagt im täglichen Rhythmus große und kleine Konzerthallen in Deutschland, Österreich und der Schweiz in die Luft. Natürlich endet die Tour Ende März im heimatlichen Hamburg.
Den zu erwartenden 16-17 Tracks fügt sich ein Zugabenstakkato von bis zu weiteren acht Liedern hinzu. Der Höhepunkt des Konzerts liegt irgendwo da drin, ganz am Ende pfeift die schwitzende Masse noch ein Remmidemmi (Yippie Yippie Yeah) auf die Bühne - ein Halten gibt es schon seit Limit nicht mehr. Die Lautstärke auf ein angenehm lautes Maß - ich erwartete viel Schlimmeres um ehrlich zu sein - getrimmt, kommt man gut gelaunt und strahlend aus dem Schuppen heraus. Über die Konzertstärke der Formation kursierten ja schon empfehlende Worte, aber sie dermaßen aufdrehen zu sehen, war wirklich überraschend für mich.

Einem großartigen Album folgt also eine geniale und vielseitige Tourshow. Dass der Bass die zum Mitsingen ab und an klar in die Länge gestreckten Lyrics überhämmert, ist verzeihbar. Blinkende Helme, Daft Punk- bzw. 2Pac-Samples oder Wasserkanonen sind nur wenige Höhepunkte von so einem außerordentlich überzeugenden Abend mit den ehemaligen Hip-Hoppern, die ihre vor Jahren neu entdeckte Identität im Klammergriff der Beherrschung festhalten. Sie wissen, wie sie die Stimmung halten und in eine darauffolgende große Nummer umleiten können. Als ausgelieferter Fan ist man maßlos überfordert mit einer starken Einlage nach der anderen.

Wer sich also noch Plätze reservieren kann, sollte dies schleunigst tun. Sowas sieht man nur alle paar Jahre.

StrawHat
(mit neuem Tour-T-Shirt)
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Foto-Copyright by Felix Hübner

Mittwoch, 14. März 2012

1.28.3 Deichkind - Befehl von ganz unten


Wir befinden uns im Jahre 2012.
Die mit wortgewandtem Hip-Hop aus dem Untergrund getretene Formation hat wesentliche personelle Veränderungen hinter sich. Krisen, erfolgreiche Tourspektakel und ein bedauernswerter Todesfall reihten sich durch die Jahre in die Bandgeschichte ein.
Schließlich sind seit der letzten Scheibe vier Jahre vergangen, doch 2011 wird endlich ein neues Album für das erste Quartal des kommenden Jahres angekündigt. Es erscheint pünktlich und verkauft sich in der Schweiz passabel, in Deutschland und Österreich stark.
Der Befehl von ganz unten wird vom deutschsprachigen Europa ausgeführt: Dem Mutterschiff Deichkind wird erfolgreich eine Landebahn freigeräumt und beleuchtet.

Was wir schon vom Intro Tetrahedon zu hören bekommen, stimmt uns elektronisch. Hip-Hop war mal. Die Typen, die am Deich wohnen haben jenen mit LED ausgestattet, verfolgen eine Party in die Fresse-Politik, die man zu Zeiten von Aufstand im Schlaraffenland lediglich angeschlagen bekommen hat. Gegen die Lautstärke und die bpm des neuen Albums wirkt alles zuvor wie der Grundkurs.
Wer die letzten 30 Jahre keine Zeitung gelesen hat, kann sich mit 99 Bierkanister gerne auf den neuesten Stand bringen. Danke, Deichkind, so lange haben wir nicht geschlafen. Aber sie heißen alle Hörer inmitten ihres neuen Werkes willkommen.
Atzenmusik-streifende Unterhaltung folgt - die bunten Lichter während den Tracks Befehl von ganz unten und Illegale Fans kann man fast durch den Player leuchten sehen, die Pheromone des tanzenden Publikums fast fühlen. Auch beim Humor wurde nicht gespart. Dieses transformierte Deichkind atmet eindeutig noch durch organische Lungen, doch das Publikum ist definitiv mit leichterer Kost zufrieden als früher.
Die tolle Single Bück dich hoch wirkt auf den fünften Blick erfreulicherweise immer noch smart und unterhaltsam, großspurig mitgröhlbar, schlägt sich sozusagen nicht mit der Einstellung der Formation. Einem Flop der zweiten Single Leider geil (Leider geil) wurde mit einem Pannenvideo die sichere Seite versichert, ebenfalls unterhaltsam, doch mutig ist etwas anderes. Private Fernsehsender bringen das Marketing in Schwung, die Tour scheint zudem soweit gewinnbringend gen Süden vorwärts zu schreiten.

Mit Der Mond und Der Strahl auf dem Album kann man zudem nicht von seelenlosem Konzepten sprechen. Die Jungs werden auch nach Jahren ihrem Ruf, auch melancholische Seiten zu besitzen, gerecht. Ein Luftbahn ist es trotzdem nicht.
Die oben angesprochene Politik der Scheibe ist im Grunde auch ihr eigener Schwachpunkt. Nur Fans hören näher hin, man muss da mit Interesse reinwachsen - über Deichkind stolpert man nicht mehr und bleibt einfach so kleben. Befehl von ganz unten hat ein geniales Booklet mit großartigen Anekdoten, umgeschriebenen Texten und dem Amazon-Review eines zerstreuten Hörers. Die Phantasyroman-gleiche Cover Art wirft, ähnlich wie die Musik, keine Fragen auf.
Auf diesem Album findet man höchstens Antworten auf Fragen, die man sich niemals stellen wollte.

Ein schlechter Longplayer sieht nach allem was auf Strawpinion schon vertreten war, anders aus. Was trotzdem unumstößlich verhauen wurde, ist die Trackanordnung. Leute, Leute, stand da irgendein Konzept dahinter? Selten wurde man unfertiger aus einem Album entlassen. Die rote Kiste (feat Slime) wäre doppelt so gut, wenn sie mittendrin stehen würde, anstatt hintenan. Der Strahl ist im hingegen ein eindeutiger Opener! Wenn sie sich schon vier Jahre Zeit lassen, erwarte ich mir nicht nur ein äußerlich attraktives, sondern innerlich vollständiges Werk.
Und vollständig ist sie wirklich nicht. Die riesige Pyramide des in die Jahre gekommenen Deichkinds steht stabil am Ende der Landebahn. Und das bei einem Album, das von A-Z eigentlich in die Luft geht.

Antworten über Antworten.
Ich persönlich empfinde das Album Befehl von ganz unten eher als .. Sabberwarmmacher für ihre Live-Show.
Deswegen bin ich mir fast sicher, morgen um diese Uhrzeit werde ich schlauer sein!

StrawHat
(freut sich auf bunte Lichter)
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TRACKLIST & HIGHLIGHTS:


01 Tetrahedon
02 99 Bierkanister
03 Befehl von ganz unten
04 Leider geil (Leider geil)
05 Der Mond
06 Illegale Fans
07 Partnerlook
08 Bück dich hoch
09 Egolution
10 Pferd aus Glas
11 Der Strahl
12 Die rote Kiste (feat. Slime)

LINKS:

BÜCK DICH HOCH MUSIKVIDEO: http://www.tape.tv/vid/225171

Dienstag, 13. März 2012

1.28.2 Deichkind - Aufstand im Schlaraffenland


Als die umgemodelte Crew von Deichkind mit dem Intro beginnt einzumarschieren, besteht kein Zweifel, dass sie mit ihrem dritten Album nicht nur einen Aufstand, sondern auch großes Kino vom Zaun brechen wollen. Wie sie sich ihre Stophen erarbeiten, bleibt ein Rätsel - jedenfalls sorgen sie mit einer beinahe zweistelligen Zahl an Liedern für Partystimmung sondergleichen. Und in diesem Zuge empfangen wir die Antwort auf die Frage Warum geht Deichkind electronic?
Es kommt saugut an.

Große Tricks sind auf den ersten Blick nicht dabei. Hochgepitchte Stimmen hatten wir schon, Bass hatten wir schon, neue schrille Effekte kamen auch nicht wirklich dazu. Das große Mischmasch aber, die Links-Rechts-Kombination von zum Brüllen komischen Reimen und der fast ernstzunehmenden Aussage ihrer Lieder, will man wieder und wieder und wieder erleben. Die Elektronik hinter dem Spaß bildet nur die Partywolke.
Allen voran glänzen selbstverständlich Tracks wie Voodoo - Mann, was für ein trollender Ohrwurm - dem irgendwie übersehenen Show'n'Shine, wieder verflucht lustig, und dem wohl für lange Zeit größten Hit von Deichkind: Remmidemmi (Yippie Yippie Yeah). Natürlich ist der Track tragend für ihre Shows und ähnlich stachelt er die Hörerlaune zu Beginn des Albums auf. Jedoch nur wenn man mit dem Humor der Band, und am dritten Album sollten sich Skeptiker wirklich schon damit abgefunden haben, konform ist und sich nicht verarscht vorkommt. 
Ist der Hauptteil der Scheibe klar auf feucht-fröhliche Party ausgerichtet, arbeitet der langsame Trip von Silberweidenpark klar dagegen, schneidet dieses unterhaltsame Trackgefüge in zwei anhörbare Hälften.
Gutes Ding.

Wie die Single E.S.D.B, kurz für Electric Super Dance Band, vom Markt übersehen werden konnte, ist mir nicht schlüssig. Klar ist Ich betäube mich viel reizvoller, doch steht dieser Song ersterem in der Kategorie Tanzbarkeit in nichts nach und außerdem war er nicht viel mehr erfolgreich.
Nein, die Deichkind-Lieder stiegen zumindest bis zum hierzulande recht penetranten Arbeit nervt-Album einfach kaum über recht beliebte, jedoch nicht weitschweifig totgehörte Geheimtipps hinaus.
Nicht zu fassen aber, wie die Truppe Jahre vor dem Electro-Boom in deutscher und internationaler Popmusik diesen Trend quasi errät und niemand ein gigantisches Theater darum macht! E.S.D.B ist ein richtig gutes Lied!

Auch auf dem Rest der Platte herrscht hoher Wiedererkennungswert - die Crew scheint ihre favorisierte Rolle verstanden zu haben, gehen in eine Richtung, die mit dem aktuellen Longplayer Befehl von ganz unten 2012 rund und kochend in die Zukunft getragen wird.
Der Aufstand im Schlaraffenland läutete 2006 das neue Deichkind ein. Statt bloß Aufsehen mit Hip-Hop zu erregen, legte es die Formation drauf an und kreierte mit Remmidemmi ihr eigenes Ding. Das Bo machte mit und sah, dass es gut war.

StrawHat 
(kommt saugut an)
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TRACKLIST & HIGHLIGHTS:
 01 Intro
02 Voodoo
03 Remmidemmi (Yippie Yippie Yeah)
04 Aufstand im Schlaraffenland
05 Show 'n' Shine
06 Ich betäube mich (feat. Sarah Walker)
07 Silberweidenpark
08 E.S.D.B
09 Jüjük (feat. Porky & Mister Celebi)
10 Prost (feat. Das Bo)
11 Krieg

LINKS:
 E.S.D.B LIVE VIDEO: http://youtu.be/cqb8hAtFG2E

Montag, 12. März 2012

1.28.1 Deichkind - Bitte ziehen Sie durch


Dem Durchbruch des äußerst lyrischen deutschen massentauglichen Hip-Hop hinkte die Crew um das Hamburger Projekt Deichkind schon ein gutes Jahrzehnt hinterher. Vielleicht erklärt dies das mit der Zeit etwas verrutschte Genre der Frechdachse. Um die Jahrtausendwende aber versuchten sich die Freunde Phillipp, Malte, Buddy und Sebastian mit kollegialer Unterstützung im redewendigen Sprechgesang und feierten damit kleine wie große Erfolge, und zumindest Aufmerksamkeit im deutschsprachigen Raum.

Die erste Scheibe der Truppe hört auf den Namen Bitte ziehen Sie durch, eine klare Anspielung auf die Rauschmittel-nahe Bandphilosophie, über die sie nie wirklich einen Hehl machten, nein, das Ganze eher immer stilvoll und unterhaltsam in ihre Texte einbauten. Auf der Debutscheibe, die 19 Tracks - darunter die fast unterhaltsamsten Skits aller mir bekannten deutschen Hip-Hop-Alben - beinhaltet, schenken sich textstarke Wortgefechte nichts und wechseln sich nur geringfügig ab. Im Grunde fühlt sich das ganze Ding an wie ein origineller Teig, den die zynischen Jungs zu einer schmackhaften Skulptur formten, der den nordischen Kollegen aus den 90ern - darunter natürlich Dendemann von Eins, Zwo oder etwa Fettes Brot - selbstverständlich verdammt ähnlich sieht.
Zugpferd und Aushängeschild war der mittlerweile zum Klassiker deutscher Musik der 2000er gewordene Hit Bon Voyage (feat. Nina), quasi ein Loblied auf die partytauglichen Flow der Formation und meiner Meinung nach, nach wie vor ihr bester Hip-Hop-Track.

Die anderen einzelnen Tracks auf der Platte aufzusuchen und auf Tauglichkeit zu prüfen ist aber leider definitiv der falsche Weg um sich sowohl in die Band, als auch in das Album hineinzuhören. Ähnlich wie bei Fettes Brots Außen Top Hits, Innen Geschmack ist das gesamte äußerst sarkastische und alltagskritische Album mit genial verdrehten Wörtern und Zeilen durchzogen - eine ganze Session mit der Scheibe ist also anzuraten. So baut Deichkinds geistreicher Humor nicht nur auf sich selbst auf, sondern die für sich allein regelrecht mittelmäßigen Tracks tranformieren sich in ihr eigenes Best Of - Höhepunkte schaffen es in den Gehirnwindungen des Hörers hängen zu bleiben. Die sympathischen Stimmen der Herren tun dieser Tatsache zudem gut - es gibt weitaus unauffälligere Rapper als beispielsweise Phillipp Grütering alias Kryptic Joe.

Der klare Geheimtipp ist überraschenderweise der Bonustrack, der ca. 10 Minuten nach Vollendung der letzten Nummer Slangdaddy startet. In kleinen Geschichten erzählen die Rapper in Novellen-reifer Form u.a. über Begegnungen mit den skeptischen Eltern der ersten großen Liebe. Nicht nur ihren Humor, sondern auch schauspielerische Fähigkeiten stellen sie am hintersten Eck der Platte unter Beweis.
Wer nicht bis dahin warten bzw. vorspulen, vom frühen Deichkind aber doch sanften Wind schnuppern will, der probiert Tracks wie Evergreens aufgrund von Textvielfalt, Weit weg (feat. Bintia) wegen überraschend ernstem Ausdruck oder Flammenmeer (Teil 1) wegen der lieb gemeinten Band-internen Battles.

CDs wie diese muss man mit guter Laune und offenen Ohren besuchen - Deichkind hatte damals kein außerordentlich umwerfendes Album geschaffen, aber es ist doch ein gutes Stück besser, als man nach all den Jahren ohne Erwähnung meinen könnte. Gut genug um der Linie über Jahre treu zu bleiben und den Fokus nicht auf bunte Farben und elektronische Unterstreichung umzuleiten.

Wie wir morgen erfahren, ist dies trotzdem geschehen ...

StrawHat
(nickt mit dem Beat und bewegt seinen Arsch)
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TRACKLIST & HIGHLIGHTS:

01 Fachjargon
02 Da mussu plata!
03 Smogcity
04 Bon Voyage (feat. Nina)
05 Safari
06 Evergreens
07 Was' der Anlass
08 Lass es raus
09 Flammenmeer (Part 1)
10 Günther
11 T2WEI
12 Kabeljau Inferno (Don Dougie Remix)
13 Weit weg (feat. Bintia)
14 Feature
15 Schweiß und Tränen
16 Komm schon!
17 Imbissmief
18 Rauf und wieder runter
19 Slangdaddy
  
LINKS: 

BON VOYAGE (FEAT. NINA) MUSIKVIDEO: http://youtu.be/nTJrO9nLnFs

Sonntag, 11. März 2012

1.V SPECIAL WEEK: DEICHKIND


Werte Leser und Interessierte,

In der kommenden Woche widmet sich Strawpinion der elektronischen Hip-Hop-Formation Deichkind, die ich 12 Jahre nach der ersten Berührung durch die Single Bon Voyage (feat. Nina) zum ersten Mal live in concert sehen werde. Freut euch auf kommende Reviews zu ausgewählten Alben, dem Konzert und abschließend der Truppe selbst.

Gute Unterhaltung,

StrawHat
(unterhält sich gut)

Freitag, 9. März 2012

2.35 NEW SUPER MARIO BROS. WII (Wii)

Während Mario und seine Kumpanen gerade in Mario Party 9 meine Wii im Dauerlauf beschäftigen und ein nostalgischer Rückblick auf seine N64-Abenteuer noch auf sich warten lässt, schleicht sich die von Spaß durchzogene Erinnerung an Nintendos Neuauflage der klassischen Mario Bros.-Spiele munter dazwischen. Vollgepackt mit aufregenden, durchaus bisher unverwendeten, Ideen und phantastischen Welten, kämpfte sich das spaßige Multiplayer-Spiel zweieinhalb Jahre lang an die Grenze der Top 5 der meistverkauften Wii-Spiele. Vorauszusehen, immerhin ist man allein mit dem Interesse an der komplett in rot gehaltenen Hülle des Krachers bereits auf der sicheren Seite des Interesses. Dass dieses allzu typische Abenteuer mit den altbekannten Mario-Charakteristika ein Kassenschlager wurde, interessiert uns hier aber nur halb so sehr wie der glückliche Moment Nostalgie, der unüberfordernd und beeindruckend zugleich in die Zukunft der SNES-Sidescroller gebeamt wurde.

Oaaah, alleine dieses Cover! Sie sind alle da: Mario, Luigi, ein-zwei-drei Yoshis, Pilze, Röhren, blauer Himmel, grüne Wiesen - das Mario-Universum wie wir es lieben. Eine vom ewigen Erzfeind Bowser entführte Prinzessin später haben wir auch einen Plot, der einen seit bald 30 Jahren zu einem zielstrebigen Menschen erzogen hat. So weit, so gut.
Was New Super Mario Bros. Wii (der Titel wurde eindeutig aufs Wesentliche auseinanderdividiert) also auszeichnet, ist der Vergleich zu den frühen Spielen der Reihe, die der neuen Version nicht nur ähnlich sehen, sondern auch noch klar gereferenced werden. Das Ergebnis der von Miyamoto selbst überschauten Produktion garantiert einen tollen Partyspaß, dem selbst Mario Kart Wii nicht gleich kommt. Durch den möglichen 4 Player-Mode (ein blauer und gelber Toad unterstützen die Mario Brothers in ihrem Quest) entsteht ein wilder, dynamischer Hürdenlauf, in dem der Versuch heil durch das Level zu kommen zu oft von den Skills der Mitspieler abhängt, weil sie nicht nur in brenzligen Situationen die Führung übernehmen müssen, sondern auch ständig im Weg stehen. Nimmt man sich den Titel also allein vor, verpasst man eine der größten Mehrspielerfeiern auf der Konsole.

Selbstverständlich führt einen die Geschichte wieder durch sämtliche Jahreszeiten, sowie ins eisige, tropische und Wüstenklima. Sandstürme und eisige Gewässer warten auf die Helden, eine Armee an Boos, Goombas und nervigen, wenn auch sympathischen Hammer Brothers stehen einem glücklichen Ausgang im Weg. Jede Sekunde werden einem Ohrwürmer und 3D-Effekte inmitten des 2D-Sidescrollers entgegengeworfen. Verlierst du den Überblick und gehst inmitten des Gelächters baden, liegt es bloß an deinen Freunden, dich aus der sicheren Seifenblase auf möglichst stabilen Oberfläche zu befreien. Nintendo optimierte den Spielspaß und holt das Maximum aus einem Blockbuster heraus, der vor 20 Jahren nicht so anders ausgesehen hätte. Davon hat man zu Zeiten des Super Nintendos, zu Zeiten des N64, geträumt.

Ecken und Kanten hat der Titel natürlich auch - zwar sind es keine einschneidenden, die den Kauf des Spiels überlegbar machen, aber es sind kleine Schönheitsfehler, die den Flow stören. Beispielsweise der kurze Bildschirmstopp beim Aufsammeln eines der zahlreichen Powerups (hochsteigender Helikopterhelm, patscheglitschiger Pinguinanzug, u.a.), oder die etwas rrrrutschige Steuerung, die das Chaos noch chaotischer verbaut. Der Schwierigkeitsgrad ist meistens für kleine Kinder angepasst, obwohl sich zum ersten Mal echte Kopfzerbrecher unter den freispielbaren Bonus-Stages finden lassen, und leider gab das Entwicklerteam einmal mehr den faulen Aufgebern die Chance, schwierige Passagen die Computerhilfe übernehmen zu lassen. Ein schreckliches Feature, selbst für Kids - die nunmal Tränen und Schweiß vor solchen Games absondern müssen, um vernünftige Fähigkeiten bei Konsolen- oder Computerspielen entwickeln zu können.

Dem fröhlichen Klempner sei dank, stehen wir über solchen Nebensächlichkeiten. New Super Mario Bos. Wii schreit "Gute Laune!" und "Spaß!" und genau das ist es, was man von Anfang bis zum Ende eintreibt. Dieses Nintendo-Zugpferd bezog schon bei seiner Veröffentlichung Position in der fast makellosen Mario-Historie - da wo es meiner Meinung nach hingehört. Ein perfekter Wii-Multiplayer bittet um Anspielprobe.

StrawHat
(Whoahaaaaaa!)
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LINKS:

NEW SUPER MARIO BROS. WII TRAILER: http://youtu.be/XqOMinDz0mE

Samstag, 3. März 2012

1.27.1 Dire Straits - Brothers in Arms


Weit über eine Dekade hinaus war diese Platte im dichten Nebel der Vergessenheit verschwunden. Erst 2010 stolperte ich in spätnächtlichen Ecken des privaten Fernsehens über Why worry, zog meine Eltern über die Herkunft des Tracks zu Rate und grub das alte Schätzchen schließlich wieder aus, stieß sogar auf vergessene und übersehene Meisterwerke, die mich durch meine ganze Kindheit begleiteten. Mittlerweile geistert Dire Straits nicht zuletzt durch ihren großen Durchbruchserfolg von Sultans of Swing (dessen Entdeckung ich, wie vielen anderen netten Discoveries, ausgerechnet dem PS3-Game Guitar Hero 5 zu verdanken habe) immer wieder über meinen MP3-Player und nach und nach stiegen einige Tracks vom Album Brothers in Arms rauf zur Oberfläche.
Es wurde also wirklich Zeit, dem Scheibe einen Platz auf Strawpinion einzuräumen - und nun darf es den bereits laufenden Monat auch noch eröffnen. Herzlichen Glückwunsch aber auch! Macht was draus, Rocklegenden der 80er Jahre!

Brothers in Arms glänzt ober- und unterflächlich durch ausgesprochen langweilige Rockmusik. Das Ding läuft für seine 9 Lieder erstaunliche 56 Minuten, verteilt auch seine Kracher nicht unbedingt weise - viel Platz ist andererseits also wiederum nicht, um große Juwelen zu verstecken. Man muss schonmal ein bisschen Zeit einräumen um die Sache mit unverschlafenen Augen angehen zu können.
Aus irgendeinem demotivierenden Grund jedoch, macht gleich das für Dire Straits bloß durchschnittliche So Far Away den Anfang - eine von einem mir in die Knochen gebrannten Riff begleitete Einleitung in die Platte. Meine Unfähigkeit den Song objektiv zu bewerten, bezeichnet fast die noch kommenden Worte in dieser Strawpinion, so hingerissen bin ich allein von der Wiederentdeckung dieses Liedes.
"Aus irgendeinem Grund" sage ich jedoch auch im Bezug auf So Far Away, weil das perfekte Opening für eine Rockscheibe genau dahinter wartet! Money For Nothing, begleitet von Stings Mitte der 80er äußerst angesagtem Gesäusele, ist ein unerreichter Klassiker, Leute! Warum zählte man damals nicht 1 und 1 zusammen und schenkte dieser Scheibe einen bombastischen Start? Millionen Musiker warten auf sowas und Dire Straits verschenkt den Beginn eines Albums an So Far Away - das schlicht und ergreifend kein schlechtes Lied ist - aber viel zu öde für den fast wichtigsten Moment für unentschlossene, potenzielle Käufer!

Löst man sich von den bindenden Gedanken über jene Enttäuschung, stolpert man richtig über Walk of Life, einem Lied das jeder schonmal zufällig auf Radiosendern gehört hat, die klassische Rockmusik raushauen - damit meine ich also so ziemlich jeden.
Walk of Life bezeichnet Dire Straits erreichtes Level ziemlich gut. Es ist kommerziell erfolgreich, von Mark Knopflers steten mittelprächtigen Gesang durchzogen, aber ein echter Laune-antreibender Universalerfolg. Und dazu nicht mal ein schlechter Rocksong.
.. was man vom sehr Saxophon-lastigen Your latest Trick nicht behaupten kann. George Michael hätte diesen Track seinerzeit wenigstens nennenswert gemacht - aber für alle nostalgielosen Hörer, die nicht Welten von Emotionen und Träumen mit Songs wie diesem verbinden, wirkt Track 4 fürchterlich deplatziert. Nichtmal in der Hinsicht auf Why worry direkt dahinter - einem superlangsamen Meisterwerk für düstere Zeiten, das geradezu "ACHTZIGER!" schreit, bevor es dich zum Heulen bringt  - haut das Bild erfolgreich hin. Der thematisierte Blues war sichtlich das Hauptziel von Knopfler und Co. und das wurde in diesem Trackchaos wenigstens auch erfolgreich erreicht.

Von Ride across the River und One World kann ich nicht reinen Gewissens schwärmen. Money for nothing bleibt auch klar nach dem Probieren der zweiten Hälfte des Albums der unumstößliche Erfolg des Albums, selbst die erfolgreiche Single Brothers in Arms, die das Ding wenigstens entsprechend zu seinem Abschluss führt, kann daran nichts ändern. Der Song ist jedenfalls genauso dahinfließend wie der Großteil der Lieder, was die Seele und Aussage des Tracks aber immerhin nicht beeinträchtigt. Nein, er ist mit der Bezeichnung "Dire Straits-Geschmacksprobe" sowohl als Albumorgan, als auch Auskopplung zu empfehlen.

Wenn auch nicht wie der verkannte Superhit The man's too strong, der wie komplett übersehen wirkt.
Jungs, das Lied ist genial! Und für mich auch mitunter verantwortlich, dass ich hier vor euch sitze um euch von Dire Straits damals langsam zu Ende gehenden Erfolg zu erzählen. Lieder wie The man's too strong findet man nicht an jeder Ecke! Die langsame Denkweise dieses herausfordernden Werks aus 1985 wird mit dem plötzlichen Ausbruch von Gefühlen und gut platziertem, lautem Gitarrenausdruck in diesem Lied revolutioniert. Es ist als würde alles am Ende doch Sinn machen! Und sowas lässt man links liegen? Ich hab abgesehen von YouTubern noch niemanden gehört, der von diesem Track geschwärmt hat! Wie kommt das? Seid ihr zu eingedudelt von Stings Gastgeheule über sein MTV? Kommt schon!

Wie ihr seht hatte der Rolling Stone damals zu Recht gemischte Gefühle bei der Scheibe. Bei nur neun Tracks herauszufiltern, welche es zu überspringen gilt, ist nicht gerade eine schöne Beschäftigung, und da man sich auch kaum Gedanken darum gemacht haben zu scheint, wo sich was befindet, irgendwie auch sinnlos.
Sehr viel mehr Sinn macht es für eingeschworene wie uneingeschworene Fans oder Interessierte mal in dieses Gefühl einzutauchen, diesen Blues zu verstehen und einzuatmen zu welcher Sorte Rock vor dreißig Jahren die Feuerzeuge durch ausverkaufte Konzerthallen leuchteten. Irgendeinen dieser Punkte traf Mark Knopfler und seine vielzählige Truppe immerhin direkt. Welcher es ist, ist auf Brothers in Arms nur durch mit der Zeit gehende Nostalgie festzustellen.

StrawHat
(ACHTZIGER!)
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TRACKS & HIGHLIGHTS:

01 So Far Away
02 Money For Nothing
03 Walk of Life
04 Your latest Trick
05 Why worry
06 Ride across the River
07 The man's too strong
08 One world
09 Brothers in Arms

LINKS:

MONEY FOR NOTHING MTV-AWARD WINNING MUSIC VIDEO: http://youtu.be/FDJPiUPZxdc
THE MAN'S TOO STRONG YOUTUBE UPLOAD: http://youtu.be/AVdB-UKfxD4