Freitag, 16. März 2012

3.2 Deichkind - Befehl von ganz unten-Tour - Erlangen 15.03.12


Als die Videoleinwand - die seit dem Einlass stimmungsvolle Bilder zu elektronischen Publikumsvorheizern zeigt, die durch die Heinrich-Lades-Halle donnern als hätte es nie andere Musikgenres gegeben - schließlich erlischt und die Bühne beleuchtet wird, zieht selbstverständlich ein erwartungsvolles Raunen durch die Menge.
Eine Viertelstunde länger lässt sich Deichkind Zeit. Ein ellenlanges Intro, voller aussagekräftiger doch langatmiger Bilder zur Vorgeschichte zum Befehl von ganz unten - erneut auf Leinwand - steht zwischen massig mit LED ausgestattetem Publikum und hochkarätiger deutscher Konzerterfahrung.

Doch mit einem Mal hat das Warten ein Ende und grelle Lichter beleuchten bloß für Sekundenbruchteile Pyramidenköpfe auf menschlichen Körpern. Das landende Dröhnen von Tetrahedon fließt in die bereits vom Album zur Tour bekannte Explosion von 99 Bierkanister über. Das Publikum springt in einer Welle der Bühne entgegen. Ich mittendrin.
Und Deichkind bringt fast alles. Von den aktuellen Singles Bück dich hoch und Leider geil (Leider geil) bis zur zweiten Reihe des neuesten Albums, große Nummern von Arbeit nervt, den berüchtigten 23 Dohlen und ganz alten Geschichten, ja selbst Bon Voyage - leider etwas lieblos, wenn auch modern, heruntergerasselt - ist mit von der Partie.
Die Jungs sind ständig in Bewegung, für jeden zweiten Track wird das Kostüm und das Bühnenkonzept abgeändert. Pferdekostüme tanzen über leuchtende Balken, Hüpfburgen drehen sich um die eigene Achse, Konfettigeschosse knallen hoch zu den Plätzen der oberen Etage. Niemand wundert sich, jeder tanzt.

Die Setlist wurde allem Anschein nach auf einen kaum wechselnden Standard herabgestumpft. Deichkind hat ihr Konzert sozusagen erfolgreich optimiert, jagt im täglichen Rhythmus große und kleine Konzerthallen in Deutschland, Österreich und der Schweiz in die Luft. Natürlich endet die Tour Ende März im heimatlichen Hamburg.
Den zu erwartenden 16-17 Tracks fügt sich ein Zugabenstakkato von bis zu weiteren acht Liedern hinzu. Der Höhepunkt des Konzerts liegt irgendwo da drin, ganz am Ende pfeift die schwitzende Masse noch ein Remmidemmi (Yippie Yippie Yeah) auf die Bühne - ein Halten gibt es schon seit Limit nicht mehr. Die Lautstärke auf ein angenehm lautes Maß - ich erwartete viel Schlimmeres um ehrlich zu sein - getrimmt, kommt man gut gelaunt und strahlend aus dem Schuppen heraus. Über die Konzertstärke der Formation kursierten ja schon empfehlende Worte, aber sie dermaßen aufdrehen zu sehen, war wirklich überraschend für mich.

Einem großartigen Album folgt also eine geniale und vielseitige Tourshow. Dass der Bass die zum Mitsingen ab und an klar in die Länge gestreckten Lyrics überhämmert, ist verzeihbar. Blinkende Helme, Daft Punk- bzw. 2Pac-Samples oder Wasserkanonen sind nur wenige Höhepunkte von so einem außerordentlich überzeugenden Abend mit den ehemaligen Hip-Hoppern, die ihre vor Jahren neu entdeckte Identität im Klammergriff der Beherrschung festhalten. Sie wissen, wie sie die Stimmung halten und in eine darauffolgende große Nummer umleiten können. Als ausgelieferter Fan ist man maßlos überfordert mit einer starken Einlage nach der anderen.

Wer sich also noch Plätze reservieren kann, sollte dies schleunigst tun. Sowas sieht man nur alle paar Jahre.

StrawHat
(mit neuem Tour-T-Shirt)
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Foto-Copyright by Felix Hübner

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