Dienstag, 31. Dezember 2013

1.VII STRAWARDS 2013



Mir betont wertvolle Leser meines Blogs,

es ist wieder soweit. Die letzten Tage des Jahres sind gezählt und damit kann ich gar nicht anders, als dem aufstrebendem Gefühl nachzugeben, die in diesem Jahr gehörte Musik und gespielten Games in Form eines Strawards auszuzeichnen und als Botschaft in die auf Flügeln herannahende Zukunft zu schicken. Lest und lauschet somit den Gewinnern meiner diesjährigen Auswahl.

Folgende Reglements sind zu beachten:

1. Ich vergebe dieses Jahr Preise an die Besten in acht Kategorien: Video Game, Video Game Character, Earworm, Song, Music Video, Album, Live Performance, Artist.
2. Qualifiziert sind alle von mir im letzten Jahr erlebten Werke. Es spielt, trotz Erwähnung, weder Produktions-, noch Erscheinungsjahr oder Genre eine Rolle.
3. Jede Band darf nur einmal pro Kategorie nominiert werden. Ein Umstand, der im Falle von Videospiel-Produktionsfirmen in der Kategorie Best Game nicht eintritt. Maximal werden sechs Nominierungen pro Kategorie ausgesprochen.
4. In der Kategorie Live Performance zählen von mir selbst besuchte Konzerte, sowie Film- und Tonmitschnitte von Konzerten.
5. Es muss keine bereits erstellte Strawpinion zu Nominierungen bestehen.


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Selbstverständlich wird die Zeremonie wieder von den herausragendsten Songs der vier Quartale umrahmt. Den Anfang beschreibt ein Song, der mich durch das ganze Frühjahr hindurch hypte, mal mit einem Teaser in der amerikanischen Comedyshow Saturday Night Live, später mit ersten Ausschnitten und angespielten Passagen. Die deutliche Dominanz, wenn schon kein ausdrücklichen Lieblingslied von mir, ist dem Track nicht zu nehmen. Die Wahl für SONG OF SPRING fiel also sehr entspannt auf:


Wer die letzten Jahre beobachtet hat merkt also gleich, dass es wieder ein elektronischer Song auf den Frühlingsthron geschafft hat. Als internationaler Gute Laune-Hit scheint ihm seine Rolle als Ouvertüre für den ersten Straward ja quasi auf den Leib geschrieben zu sein.
Und doch passt es noch auf andere Weise perfekt, denn Get Lucky ist nicht nur in der ersten Kategorie nominiert, sondern beherrschte die Position bis in den Sommer hinein fast alleine.
Dass er nicht gewonnen hat, kann man nur dadurch erklären, dass 1-2 andere Songs sich doch noch ein bisschen mehr im Ohr festsetzten. Und wer sie kennt, oder sie sich gerne reinzieht, weiß auch genau warum.

EARWORM OF THE YEAR
KANYE WEST (FEAT. RIHANNA) - ALL OF THE LIGHTS
2nd Place: The Streets - Has It Come To This?
3rd Place: Daft Punk - Get Lucky

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Wie auch schon im Jahr davor besuchte ich zwei Konzerte, die ich beide nicht nur in fast vorderster Reihe starten, sondern auch halb verprügelt verlassen durfte. Doch auch zwei Live-Alben heizen der Wahl zu dieser Auszeichnung gehörig ein. Warum es doch der Auftritt dieser einen Band wurde, muss ich ja wohl keinem mehr erklären.


LIVE PERFORMANCE OF THE YEAR
ARCTIC MONKEYS - ARABELLA
(MÜNCHEN, 2013)
2nd Place: Queens of the Stone Age - ...Like Clockwork (München, 2013)
3rd Place: Justice - On'n'On (Nîmes, 2012)

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Und selbstverständlich hielt ich wieder die Augen nach originellen, witzigen, hübschen oder einfach nur ansprechenden Musikvideos offen, wurde mit 5 Stück tatsächlich deutlich fündig. Diese Kategorie war dieses Jahr mit am Schwersten zu entscheiden, hingen doch sehr expressionistische Werke im Raum. Zu meiner eigenen Überraschung kristallisierte sich aus der Komplexität der ruhigste und unaufdringlichste Nominierte heraus, der es mit emotionaler Tiefe und wunderschönen Visualisierungen schaffte, die harte Konkurrenz hinter sich zu lassen.

MUSIC VIDEO OF THE YEAR

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Nach drei vergebenen Preisen wird es wieder Zeit für musikalischen Einsatz. Mit unterschiedlichsten Musikrichtungen kämpften 5 Artists um den wohl bleibendsten musikalischen Eindruck im Jahr - den Sommerhit. Da ich ihn für mich Mitte diesen Jahres nun endgültig entdeckte, der Track der absolute musikalische Hammer ist und nicht nur für Stimmung sondern auch für Fragwürdigkeit sorgt, konnte ich nicht anders, als ihn am Rest vorbeiziehen zu lassen:


Mit so viel künstlichen Effekten im SONG OF SUMMER ausgestattet, widmen wir uns der spannenden Frage um das Videospiel des Jahres. Und OH BOY! haben sich die Blockbuster 2013 beschossen. Zu Anfang des Jahres hat man sich noch gedacht, dass es für Rockstar Games großes Feuerwerk GTA V ein leichtes Spiel werden würde, so musste man spätestens nach The Last Of Us gestehen, dass Geschmäcker und Vorlieben diese Wahl entscheiden werden.
Unterm Strich wäre man meiner Meinung nach verrückt, diesen Preis doch nicht den Leuten zuzusprechen, die derartig gute Arbeit geleistet haben dieses Kunstwerk zu kreieren. Und bei aller Liebe: Den offensichtlichen Schwächen so gewaltig entgegen zu steuern und mehr und mehr Möglichkeiten zu geben, Spaß zu haben, ist einen Straward mindestens wert. 

VIDEO GAME OF THE YEAR
2nd Place: The Last Of Us
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Weiter geht es mit meiner Lieblingskategorie, dem Album des Jahres. Nichts hat für mich mehr Aussagekraft als die zusammengestellte Songauswahl eines Künstlers - Gänsehaut-provozierende Beats und Trackfolgen, die in einem Stück gehört werden müssen. Gute Alben bleiben für die Ewigkeit und ähnlich wie beim neuesten Gewinner gerade eben, musste sich mein Favorit gegen harte Konkurrenz durchsetzen und alles andere als einen Spaziergang absolvieren, um sich diesen Straward zu holen. Warum sie es für mich doch gerissen haben, taumelte dieses unerwartet präzise Werk immerhin in eine ganz andere Richtung als vorher gedacht, ist ganz leicht zu erklären: Es ist ein Album voller Highlights, ein Easy listen, ein verspielter Traum, ein Zunicken zu einer Zeit vor meiner Zeit und mit Facetten versehen, die sich erst erkennbar machen,wenn man es wiederholt hört.

ALBUM OF THE YEAR
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Zu einer unserer beiden neuen Straward-Kategorien gehört ein weiterer wichtiger im breiten Videogame-Spektrum, und bemerkenswert ist: Die Wahl zum Videogame Character war sogar noch schwieriger als alle bis hierhin genannten!
Einzig Screentime und Ausbau der Rolle entschieden über den Gewinner und ich muss mich tatsächlich zusammenreissen, objektiv bleiben und denjenigen auszeichnen, den wahrscheinlich jeder in diesem Jahr nehmen würde. Nochmal gilt: Was Rockstar aus dieser Rolle gemacht hat, ist ein Wahnsinn. Und großer Applaus den Rollen, die ein solches Screenplay nochmal ins Wanken bringen konnten.

VIDEO GAME CHARACTER OF THE YEAR
TREVOR PHILIPS (GTA V)
2nd Place: James Kidd (Assassin's Creed IV: Black Flag)
3rd Place: Frank Honey (LEGO City Undercover)

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Beinahe konkurrenzlos knallten mir die ewig im Clinch liegenden Kings of Leon mit ihrem neuen Album Mechanical Bull in den Ohren. Dass unser SONG OF FALL aus ihrem traurigem E-Gitarrensound entspringt ist somit alles, nur kein Wunder.


Wir nähern uns langsam dem Ende und küren in folgender Kategorie nun das Lied, das meinen Sound von 2013 geprägt hat und am meisten Eindruck hinterließ. Die Titelträger der letzten Jahre, Arctic Monkeys und Deadmau5, sind nach wie vor gern gesehene Gäste in meiner Tracklist. Wer wird diesen Sonderstatus also diesmal für sich beanspruchen?

SONG OF THE YEAR
JAMES BLAKE - OVERGROWN
  2nd Place: Arctic Monkeys - Do I wanna know?
3rd Place: Kanye West - Hell of a life

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Und natürlich der mit Abstand wichtigste Straward, der nicht nur den kommerziellen Erfolg, den einschlägigsten Sound und wohltuendsten Klang ehrt, sondern den/die Menschen hinter der Musik, die nicht nur auf einer persönlichen Mission sind, sondern ihren Job auch leben und lieben.
Leider muss man für weitere Worte die Vergangenheitsform wählen, denn obwohl er mich dieses Jahr inspiriert und beeindruckt hat, musste er uns schon vor Jahren verlassen und konnte (lediglich) seine gigantischen Aufnahmen zurückgelassen, die nun an die große Kunst des japanischen DJs und Produzenten erinnern. Möge die Magie seiner Tracks uns alle überleben.

ARTIST OF THE YEAR
NUJABES
2nd Place: James Blake
3rd Place: Kanye West

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Mit all den nun vergebenen Trophäen bleibt nurmehr zu sagen:
Ich wünsche allen die Strawpinion verfolgen, oder sich für die auf meinem Blog zur Schau gestellte Musik bzw. die behandelten Games interessieren, ein wundervolles kommendes Jahr 2014. Ich hoffe es steuern weitere spannende Werke auf uns zu, die wir genießen und bewerten dürfen.

Tanzen wir mit dem SONG OF WINTER in die letzten Abendstunden des alten Jahres.

StrawHat
(bedankt sich wieder bei Amai für den schönen Award!)

Samstag, 21. Dezember 2013

1.42.1 The Streets - Original Pirate Material

8.3/10.0

Die Wirkung von Mike Skinners Debutalbum als The Streets-Prophet zieht deine Aufmerksamkeit vom ersten Beat an auf sich. Sie zahlt es mit der realistischen Ungemütlichkeit aus dem Alltag britischen Mittelstandes zurück, untermalt endlos interessante Geschichten mit der Sprunghaftigkeit und der vorherrschenden Melancholie von UK Garage. Oder ist es die allem anhängende Trostlosigkeit, die für diese verantwortlich ist?

Was Mr. Skinner in dieser Dreiviertelstunde von sich gibt ist nicht selten sozialkritisch, dafür geht schon mal gern die kreative Suche nach fließenden Rhymes verloren. Was aber in den Händen von untalentierten Oberstuflern wie ein müder Rap-Versuch abgetan werden würde, entwickelte sich über die 2000er hinweg als Sternstunde der britischen Hip-Hop-Szene. The Streets läutete ein Glöckchen, dessen Klang in kommerzieller Verwendung kein abnehmendes Ohr fand - nicht mal die schnittigen Singles wie Has it come to this? oder Kevin Mark Trails ohrwurmverdächtiger Refrain von Let's push things forward erklommen erwähnenswert hohe Spitzen.
Vielleicht ist in der erst übersehenen, später neu gewonnenen Wichtigkeit von Original Pirate Material so viel Sympathie zu finden, dass sich die Empfehlung der Scheibe so aufzwängt. Man fühlt sich beim Hören als Teil einer sinnvollen Message, sich vom tieferen Sinn der Beschreibung unserer Gedanken nicht befremdet zu fühlen.

Und doch war mein erster Eindruck von dem Album ein bloß durchwachsen positiver. Die klangliche Umstellung vom amerikanischen überproduzierten Kanye West-Kassenschlager auf die kantige Bodenständigkeit dieses Albums war ein phasenreicher Prozess, den ich nach lediglicher Anerkennung ordentlicher Produktion fast schon links liegen ließ. Doch Skinners Oi, oi, oi echote sich tapfer zurück und fing mich im dritten Anlauf erst so richtig.
Was mich nun mitriss war die offensichtliche Schlagkraft von Geezers need excitement und der Frage, warum Texte wie diese nicht in Bars oder Fußballstadien an der Wand hingen, um männliche Streitlustigkeit zu vergegenwärtigen.

Doch The Streets und seine Mitstreiter haben Platz für noch mehr Lektionen (It's too late bzw. Same old thing), die schwer zu verdauen sind, sich im Bauch auch länger niederlassen und für übergeordnetes Verständnis zwischenmenschlicher Schwierigkeiten sorgen.
Pausenclowns wie das viel zu gute Don't mug yourself und The irony of it all, das Fronten-klärende Zwiegespräch zwischen Thug und Pot-Studenten, laufen in all der Ernsthaftigkeit Gefahr deplatziert zu wirken, füllen aber essenzielles Augenzwinkern in all die Vehemenz.

Am Ende ist die propagierte Schwere unseres urbanen Albtraums von Original Pirate Material sicher ein Zwischenspiel der tragenden House-Elemente und den treibenden Skipbeats des Genres, sowie Skinners unfehlbar treffender Lyrik über hoffnungsvolle Schwäche. Wer sich von seinen Themen nicht angezogen fühlt, hat einen Teil seines Wesens schon an diese Welt verloren.

Straw Hat
(common sense, simple common sense)
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TRACKLIST & HIGHLIGHTS:

01 Turn the page
02 Has it come to this?
03 Let's push things forward (feat. Kevin Mark Trail)
04 Sharp Darts
05 Same old thing (feat. Kevin Mark Trail)
06 Geezers need excitement
07 It's too late
08 Too much Brandy
09 Don't mug yourself
10 Who got the funk?
11 The irony of it all
12 Weak become heroes
13 Who dares wins
14 Stay positive

Sonntag, 15. Dezember 2013

1.32.2 Justin Timberlake - The 20/20 Experience - 2 of 2 (Deluxe)

3.5/10.0

Als der grobe Plan, die 20/20-Experience mit einem zweiten Album zu verstärken, aufrecht stand und vom Marketing übernommen wurde, der Greifarm mit den Dollaraugen in den ansehnlich großen Pool Studioaufnahmen abtauchte und anschließend die nächste Hand voll mit Albumkandidaten ins Netz platschen ließ, gab es sicher den einen oder anderen Moment, in dem die Verantwortlichen in die Hände klatschten und mit einem breiten Grinsen den betriebsinternen Erfolg feierten. Für sie scheint es sich bestimmt sogar als Win-Win-Situation darzustellen: Fans, die nach Jahren des ungestillten Verlangens wieder das zarte, smoothe Stimmchen am Mikrofon genießen können, zahlen den Regisseuren - ohne einen zweiten Gedanken - liebend gern den Preis für eine nicht so ganz unerwartete nachträgliche Portion Justin Timberlake 2013.

Es würde auf mich nur halb so unglaublich durchschaubar ausgefuchst wirken, wenn die Scheibe eine ordentliche Ladung kreativer, unüberproduzierter Tracks beinhaltete. Doch so golden, wie sie sich verkauft, ist sie leider nicht. Eher wirkt sie wie der stilwechselnde, Club-taugliche Abfall der ersten 20/20 Experience, die sich neben einigen zu offensichtlichen Schwächen immerhin als überstabiles, unterhaltsames Werk präsentierte.

2 of 2 wird mit Take back the night und TKO von den wohl langweiligsten Singles in Mr. Timberlakes Karriere angeführt - aber was soll man von verkaufsfördernden Auskopplungen eines Albums erwarten, das eigentlich mehr durch seinen Vorgänger beworben wird?
Die Ausführung der essenziellen Tracks dieser Zusammenstellung lässt zu allem negativem Überfluss auch zu Wünschen übrig. Murder, mit an und für sich treibendem Konzept, verliert durch Jay-Zs Rhymes über Killerfrauen wie Yoko Ono an Wert - Drink you away verblasst in seiner anfänglichen Abwechslung zum Rest der Songauswahl leider in Repetitivität, True Bloods billige Effekthascherei verbleibt eine elektronische Schande für die Songs im ersten Teil des Album-Doppels.

Und so läuft die Wanne mit Überbrückungssongs voll, ohne Luft für Höhepunkte zu lassen. Vielleicht wurde es den Produzenten ein bisschen bewusst und die Königin aller Schnulzen, Pair of Wings, wurde als Hidden Track versteckt.
Wie man sich also bei Versager-Singles und vor Langeweile platzender Nebentracks ausrechnen kann, ist die Deluxe-Version des Albums nicht seinen Preis wert. Die Bonus-Tracks passen ins Bild: Unattraktiv, aus Geldgier zusammengeschaufelt, auf den Haufen geworfen.

Wenn man Timberlake und Timbaland (der wieder in vielen dieser Lieder herumschwirrt als wär er Justins nerviger Beatbox-Sidekick) also schon nicht ihre menschenfreundliche Musikalität absprechen kann, so muss die gerechte Meinung über das Album immerhin lauten: Es wurde nur herausgebracht, damit nochmal schön abkassiert werden kann.
Der inhaltliche Gegenwert ist löchrig und nur für Leute empfehlbar, die mit der ersten Ladung einfach nicht genug hatten, oder dumm bzw. so große Fans sind, dass sie sich freiwillig von einem Record Label in die Brieftasche greifen lassen.

StrawHat
(more like TKO und Murder für das darin befindliche Geld)
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 TRACKLIST & HIGHLIGHTS:

01 Gimme what I don't know (I want)
02 True Blood
03 Cabaret (feat. Drake)
04 TKO
05 Take back the night
06 Murder (feat. Jay-Z)
07 Drink you away
08 You got it on
09 Amnesia
10 Only when I walk away
11 Not a bad thing (& Hidden Track: Pair of Wings)
12 Blindness
13 Electric Lady

Montag, 9. Dezember 2013

2.61 LEGO MARVEL SUPER HEROES (PS3)

5.2/10.0

Dass die Marvel-Geldmaschine auch im Videogame-Bereich bestens funktioniert, wissen wir ja nicht erst seit gestern. Ein gigantischer Griff in die Lego-Kiste, vielleicht gar der eines Planetenfressers, offenbart also unheimlich viel kommerzielles Potential, all die kreativen Ideen eines Stan Lees oder Jack Kirbys im Spielzeugkisten-Format in einem weiteren Universum Leben einzuhauchen.
Tatsächlich konnte ich also nach dem überraschenden Spaß mit LEGO City Undercover nicht die Finger von diesem Geheimtipp - zumindest wurde es mir als solcher angeboten - lassen, in der Hoffnung von Anspielungen und Parodien vom Sofa gefegt zu werden und mir vor Lachen den Bauch zu halten.
Erwartungen erfüllt? Nun, teilweise.

Das große Pro dieses Spiels ist schlicht und einfach die unvermeidlich ansteckende Dynamik all dieser großartigen Persönlichkeiten und ihren unmenschlich menschlichen Macken.
Die untereinander stark rivalisierenden Teams und individuellen Helden nun an einem Strang ziehen zu sehen, wie sie einander über den Mund fahren und sich selbst als tragende Rolle in dem katastrophalen Dilemma mit der Handschrift von u.a. Loki, Doctor Doom oder Magneto sehen, ist nicht nur überzeugend witzig sondern auch bestechend interessant gestaltet.
Von Mission zu Mission, oder gar zwischen einzelnen Sidequests, wechseln sich die zahlreichen Avengers, X-Men, Guardians und sogar Villains spielbar ab und schenken zahlreiche erfüllende Minuten mit kleinen Auszügen ihres Kraftrepertoires.
Oft ist es in dieser bespielbaren Sandbox bloß eine spezielle Superpower, die Freischaltungen ermöglicht. Individuelle Herangehensweisen ermöglichen einem immer mehr und mehr Charaktere und Outfits - den Überblick zu behalten ist nicht immer einfach.
Glücklicherweise besteht also auch die Möglichkeit, das Ding im CoOp anzugehen und das Labyrinth an Collectibles mit zwei funktionierenden Köpfen zu durchlaufen.

Da offenbaren sich plötzlich Gameplay-Defizite, die sich mit keinem Lego-Stein der Welt reparieren lassen und das Durchspielen dieses fröhlichen und großzügigen Gastgebers zu einer anstrengenden, zweifelhaften Erfahrung herabstufen.
Die originell gemeinte wandelbare Bildschirmteilung spuckt einem wiederholt in den Spielfluss, erschwert das von Haus aus träge, ungenaue Zielverfahren von Fernwaffen und Wurfgeschossen bis zur Frustration.
Glitches verbreiteten sich in meiner PS3-Version wie ansteckende Krankheiten, eigene gestartete Quests wurden aus dem Nichts an den anderen Player vererbt, ganze Checkpoints luden sich tot, wichtige Missionspunkte tauchten gar nicht erst auf.

Das bunte und offenherzige Wesen dieses Franchises wird von schlecht umgesetzten Steuerungstücken und ungeliebt programmierter Kamera überschattet - die Bosse machen keinen Spaß, das bald schon eintönige Zusammenbauen von Schlüsselitems wirkt im besten Falle einschläfernd auf den Spieler.
Doch nicht nur hier ist die Programmierung des Lego-Videogame-Nachfolgers von City Undercover ein unbestreitbarer Rückschritt - die ganze zusammengewürfelte Marvel-Welt fühlt sich leblos und steif an. Zivilisten loopen ihre 2-3 Sätze gnadenlos, die Fahrzeuge fahren sich nicht nur mies, sie fügen absolut keine Tiefe zu dieser Welt hinzu - der einzige Weg dieses transparente Raster spaßig zu durchqueren ist als zermalmender Hulk oder fliegend, wie etwa durch die Kollegen Human Torch oder Iron Man.

Collectibles und Humor bügeln solche wahrgewordenen Schreckensvisionen nicht aus. Wer hat diese Version getestet und durchgewunken?
Es hätte so viel mehr sein können als blanker Glitchwahnsinn.

StrawHat
(mit fallender Lego-Euphorie)
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LINKS:

LEGO MARVEL SUPER HEROES GAMESCOM TRAILER: http://youtu.be/67RWEWEQPAg

Samstag, 7. Dezember 2013

1.41.1 The Naked And Famous - Passive Me, Aggressive You

4.6/10.0

 Liest man sich lokale Albumbewertungen aus dem - zumindest von hier aus gesehen - weit entfernten Neuseeland über das Debutalbum der fünfköpfigen Indie-Popband The Naked And Famous durch, ist ein hoffnungsvoller Ton, ein unterdrücktes Flehen um internationale Akzeptanz nicht zu überhören.
Denn hat der Wurmfortsatz der Erde kulturell gesehen - nebst umwerfend attraktiven Landschaften - viele höchst interessante Aspekte, ist der musikalische Auswurf nicht mehr als relativ unbekannt für den Rest der Welt. Oder kennst du neuseeländische Rockstars?
Das habe ich mir gedacht.

Umso beeindruckender wie authentisch und selbstbewusst das Ensemble um lead vocalist Alisa Xayalith ihren Gefrierfach-Sound von den Bandproben auf ein Studioalbum übersetzen konnte, das definitiv so klingt wie geplant: Jugendlich und aufdringlich indietronisch.
Tatsächlich ist das Synth-lastige Rockwerk eine kalte Dusche an neu entstandenen Musikrichtungen, die mehr für poppige Tanzbarkeit zur Verfügung stehen, als elektrisierende, paralysierende Gitarrenriffs. Wieder keine Rockstars für Neuseeland.

Ihre Scheibe Passive Me, Aggressive You kristallisiert immerhin aufgeweckt vor sich hin, wummert nach wenigen Songs aber langsam in Richung transparenter Songmühe und Geräuschüberladung, die sich negativem Nachgeschmack fügen muss, und als bewusste Gegensteuerung ruhige Etappen - wie etwa Piano-Überleitung The Source - einleitet.

Eine Überleitung, die sich gewaschen hat. Denn aus der zu begrüßenden Ruhe erhebt sich mit The Sun das wertvolle Highlight in der Tracklist. Die ausgeklügelte Steigerung von fundamentiertem, unüberlastetem Klang endet in einer bedrückenden Schleife aus hörbarer, glaubenswerter Verzweiflung über unausweichbare Konfrontation mit kommenden Konsequenzen.
Ein Thema, über das sich ihr bislang einziger Nr. 1-Hit Young Blood in seiner fluoreszierenden Flugbahn herzlich wenig Gedanken machen muss. Die Medienwelt stürzte sich wie ein Haufen polynesischer Ratten über seine vielseitige Verwendbarkeit - er wurde in Serien und Werbeübergängen eingesetzt, und schaffte es natürlich in den erneut gelungenen Soundtrack von SSX, in dem er bei mir nachhaltigen Eindruck hinterließ.

Recht viel mehr ausdrücklich positive Seiten hat das Album leider aber nicht parat. Psychedelische Elemente werden zwar angedroht, sterben aber im ersten Schritt kraftlos ab. Der warme Bademantel nach dem kühlen Gebirgsbachbad ist deutlich zu kurz geraten - der Hörer friert auf der vergeblichen Suche nach ansprechender, wärmender Harmonie. Wurde die gefährliche Küste des Kitschs von der Band erfolgreich umschifft, so läuft man spätestens am Strand der Entscheidungslosigkeit auf Grund. Xayaliths gesangliche Interpretation ist altes Zuckerbrot im besten Fall, und ein aufgeweichter Gehstock im schlechtesten. Der Rest der Band fällt trotz stabiler Performance ein Stück weit der Überproduktion zum Opfer.

Der Weltmarkt kann nur mit schleimigstem Kommerz oder unwiderstehlichstem Sound angegriffen werden. Die Idee, einen Mittelpunkt zu finden, ist weder neu noch gut - The Naked And Famous bergen aber genug Sommerhit-Potential um sich internationale Freunde zu machen. Und sind sie definitiv kein typischer Dauergast in meiner Playlist - für die nächsten Snowboard-Abfahrten stehen sie bereit.

StrawHat
(hat Sehnsucht nach einem Gebirgsbachbad)
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TRACKLIST & HIGHLIGHTS:

01 All of this
02 Punching in a Dream
03 Frayed
04 The Source
05 The Sun
06 Eyes
07 Young Blood
08 No Way
09 Spank
10 Jilted Lovers
11 A Wolf in Geek's Clothing
12 The Ends
13 Girls like you

Montag, 2. Dezember 2013

2.60 GRAND THEFT AUTO V (PS3)

10.0/10.0

Die kilometerweite Tragfläche so eines Spiels wird einem erst bewusst, als man Minute um Minute das Controller-Gaspedal gedrückt hält und sich durch den Highway-Verkehr stadtauswärts schiebt. Landschaften, Militärbasen, Vorstädte oder Raststätten ziehen an dir vorbei und man atmet das unbeherrschbare Gefühl von Videospielfreiheit in ihrer Perfektion. Möglicherweise hast du die lokale Exekutive am Hals, die dich auf 4 Sterne-Level verfolgt. Das heißt mit Hubschraubern, Spezialeinheit, Kamikaze-Streifen, sprich mit allen verfügbaren Kräften die das Los Santos Police Department zur Verfügung hat. Sie wollen dich nicht mehr lebend, denn das ist ihnen zu wertlos. Die Verbrechen, die du begangen hast sind selbst mit deinem Leben schlicht unbezahlbar.

Während du mit einem der drei spielbaren und meistens ohne Umschweife wechselbaren Hauptcharaktere Michael, Franklin oder Trevor auf ein Wunder hoffst und dir das Polizeiradar von den Fersen hältst, ist Reue das letzte woran du denkst. Du denkst: Schüttele ich sie in einer Unterführung ab oder muss ich sie wirklich abhängen? Letzteres dauert nämlich mindestens viel länger und trennt dich daher auf unbestimmte Zeit von neuen Missetaten und einem stressfreierem Gefühl von Freiheit.
Minuten und viele Stunden, die du in diesem aufregenden amerikanischen Westküsten-Abenteuer in nicht vorgeschriebenen Spielfortschritt invenstieren kannst: Erkunde freien und gesperrten Luftraum, wirf dich mit Fallschirmen aus Hubschraubern, verdiene Geld aus Taxifahrer, Downhill-Biking, Jagdmissionen - mach selbst was aus deiner Spielerfahrung! GTA V lässt dich nicht nur ein unterhaltsames Action-Abenteuer leben, es verlangt dir legale und kriminelle Kreativität ab.

Dieser herausragende und Verkaufsrekord-brechende Teil des Franchises birgt einen in die Tat umgesetzten Traum der Rockstar Studios, sämtliche passende Elemente in so ein Open World-Spiel einfließen zu lassen. Es ist das Kronjuwel ihrer Arbeit. Eines, das von Seitaktivitäten so sehr funkelt und strahlt, dass du zeitweise auf die Haupthandlung vergisst. Die großen Story-Missionen sind ein intriganter Freund - sie rüsten dich mit neuen Freischaltungen und dicken Geldbündeln, aber bringen dich dem unvermeidlichen Ende des Spiels näher und näher. Alle maßgeschneiderten Dialoge und Wendungen in Ehren, du spielst die Story durch um deine Seitenaktivitäten zu finanzieren. Ein Tag, eine ganze Woche in Los Santos kann mit so viel unterschiedlichem Zeitvertreib vorrübergehen. Vorallem wenn dich die gnadenlose Polizei wieder und wieder durch die Windschutzscheibe erschießt und dich - um dein Bargeld erleichtert - torkelnd und rachsüchtig aus dem Krankenhaus entlässt.

Es ist schwer für diese Flutwelle an innovativen Möglichkeiten Worte zu finden. Diese sozialkritische, stark überzogene Hollywood-Parodie ist bis in die hinterste Backstreet durchorganisiert und optimiert, eine überwältigende Breite an Radiosendern liefert einen ausbalancierten Soundtrack. Selbst das alles erleichternde Internet wurde für das fiktive Abenteuer programmiert. In unkomplizierten Schritten kümmerst du dich um Online-Banking, viel zu teure Besorgungen und attraktive Geldanlagen wie Investments, die sich unterwegs bei einem Spaziergang mit deinem Hund jederzeit verfolgen lassen. Diese Scheinwelt ist so lebendig wie noch nie zuvor.
An bestimmten Orten ergeben sich sogar plötzlich richtig gut geschriebene und teilweise vielleicht sogar essenzielle Kontakte - einfach weil du dich aus dem Nichts in das Leben anderer einmischen und für sie und dich Entscheidungen treffen musst.

Ja, GTA V fordert im Gegensatz zu seinen Vorgängern ein gewisses Maß an Verantwortung vom Spieler. Reine Schießereien und klassische Verfolgungsjagden können sich in kürzester Zeit massiv negativ auf deinen Kontostand auswirken. Bei Raubüberfällen gilt es im Vorhinein einen sensiblen Plan zu besprechen - die falsche Wahl an Mitstreitern gefährdet die Mission und daher auch die Beute.

Sämtliche Kritik verstummt im Spielspaß als Nebensächlichkeit. Was unangenehme Story-Schnitzer versemmeln, macht das Gesamtbild wieder gut. Als Spieler kannst du solche gigantischen Meisterwerke nur respektieren - vorallem, wenn sie dich auf tagelange Zusatzsessions online einladen.

GTA Online ist nämlich eine komplette zweite Spielerfahrung mit ganz anderen Entwicklungen und Tücken. Die zahlreichen Multiplayer-Missionen und Spielmodi geben dir und deinen Freunden, vielleicht aber auch nur spontanen Kontakten und Teammitgliedern, die Schlüssel zu zig weiteren Spielplätzen. Auch hier ist diese allgegenwärtige Gewalt unvermeidlich das Prinzip - einen spaßigeren Action-Simulator wirst du auf dem Markt nicht finden.
Es ist mindestens so schwer gegen die regelmäßig aufkeimende Lust auf GTA anzukämpfen, wie sich davon zu lösen.

Ein perfektes Spiel.

StrawHat
(findet selten keine Worte)
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LINKS:

GTA V GAMEPLAY TRAILER: http://youtu.be/N-xHcvug3WI

Samstag, 23. November 2013

2.59 RAYMAN LEGENDS (WiiU)

8.7/10.0

Da Ubisoft nicht nur Spiele verschieben, sondern sie auch auf den Markt bringen, wird es Zeit sich mit einer Strawpinion für das neue Rayman-Glanzstück zu bedanken. Die WiiU-Version bot sich geradezu an, ist sie doch bis jetzt u.a. ein brauchbares Auflösungsfeuerwerk mit einer Vielzahl an bunten Spielen. Eine gute Entscheidung, wie sich herausstellen sollte.
Nach dem überragenden, wenn auch leider unausgearbeiteten, Rayman Origins (dessen Kauf man sich ja scheinbar sparen konnte, weil das Sequel das volle Levelensemble des ersten Teils enthält) war klar, dass die Luft nach oben ordentlich genutzt werden würde. Und tatsächlich: Rayman Legends setzt noch einen drauf!

Anstatt sich wirklich um eine bodenständig erzählbare Story zu kümmern, wurde das Actiongaspedal durchgedrückt und schlicht die kuriose Armee von Gegnern, die klare Mitschuld trägt, dass dieses Franchise so beliebt geblieben ist, auf die fünf Hände voll auswählbaren Helden losgelassen. Ein unkompliziertes Jump'n'Run wie in den guten alten Tagen ist die Folge. In stabiler Rayman-Manier kickt, schlagt und schwebt ihr euch durch die einzelnen Abschnitte, bekommt es ab und an mit einstürzenden Türmen und unterschiedlichen Drachentypen zu tun und genießt in jedem Atemzug die Grafikperfektion einer aberwitzigen Fantasiewelt.
Mit dem Gamepad wurde ein weiterer geglückter Kniff umgesetzt: Player wechseln zum fliegenden Grinsefrosch Murphy, um sich oder seinen oftmals von der Screenverschiebung gestressten Freunden, die Plattformen zurecht zu legen oder Wände und Brücken zu öffnen bzw. zugänglich zu machen. Das Teamwork ist erstaunlich beansprucht worden und fühlt sich in diesem abgedrehten Wettlauf absolut richtig an.
Reicht es einem hingegen mit seinen Mitspielern, so besteht immer noch die Möglichkeit, sich schön zu dreschen und den angestauten Jump'n'Run-Frust erleichternd zu ventilieren.

Außerdem kamen ein paar witzige Gamemodes hinzu:
Während der Entwicklungsphase programmierten sich die fleißigen Ubisoft-Arbeitnehmer ein Fußballspiel, indem man nicht nur noch mehr fluchen, sondern das ganze Buttonarsenal beherrschen muss, um sein offenes Tor vor dem Gegner zu verteidigen und den Ball rein zu kriegen. Dies wurde netterweise im Spiel gelassen.
Online-Challenges holen den Speedrun-Ehrgeiz heraus. Aus aller Herren Länder finden sich Bestzeiten und gespeicherte Ghosts, die es zu übertreffen gilt. Diese werden unter der Hardcore-Kategorie erst richtig ekelhaft und beeindruckend knifflig, beschäftigen einen schonmal den ganzen Nachmittag (wenn es blöd kommt).
Natürlich muss man auch die befriedigenden World-Abschlüsse nennen, die ein weiteres großes Pro des Spiels stellen. Zum Sound von Klassikern wie Ramjams Black Betty oder Survivors Eye of the Tiger werden rhythmische Wettläufe bestritten. Sie führen durch ein ganzes Level und durch weitere (mittanzende) Gegnerhorden - alles andere als einfach da im Takt mitzuhalten.
Und wer es doch durchzieht, bekommt am Ende sogar nochmal die schwere Version der Musikstages, inklusive Kopfüberpassagen und Bildstörungen, bei denen man nur nach Erinnerung und Gehör gehen kann. Ein großartiger Zusatz, den man im nächsten Teil vermisst, sollte dieser keine Rückkehr feiern.

Rayman Legends ist also ein Spaßgarant alter Schule. Klar findet man oberflächliche Schwächen, wenn man nach ihnen sucht, aber es ist eins dieser Jump'n'Run-Spiele, die selbst auf Parties herausgeholt werden sollten - weil das Spiel zusammen und gegen einander unglaublich viel Freude hergibt. Mit der beliebten und wunderschönen Atmosphäre nimmt sich die Reihe regelmäßig selber aufs Korn und erlaubt ein neues Maximum an intensiven Zocker-Stunden voller Ohrwürmer und großer, staunender Augen.

StrawHat
(lässt sich viel zu leicht von Speedruns herausfordern)
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LINKS:

RAYMAN LEGENDS EYE OF THE TIGER TRAILER: http://youtu.be/HtAXSpBM8XI

Sonntag, 17. November 2013

3.3 Arctic Monkeys - AM-Tour - München 12.11.13


Das eigentliche Konzert begann erst als lead guitarist Josh McClorey sein Instrument einem Bühnenassistenten mit Schwung in die Arme warf und die auffallend kurz geratene irische Rhythm & Blues-Band The Strypes nach einem erschöpfend ausführlichen Finale die Bühne verrichteter Dinge verließ.
Denn - ihren beeindruckend überzeugenden Rockton in Ehren - selbst die schnellsten und smartesten ihrer Songs konnten das Zenith-Publikum nicht halb so schnell aufkochen wie die direkt danach eintretende Vorfreude auf Rockabilly-Alex und seine Arctic Monkeys.
Und Zeit haben sie sich gelassen, bis die Bühne - begleitet von sich überschlagender Blitzbeleuchtung - plötzlich erfüllt war von fleischgewordener Variation brachialem Indierock.

Die gut gefüllte Münchner Halle wurde Tour-traditionell mit der Leadsingle des aktuellen Longplayers Do I wanna know? empfangen. Hände erhoben sich und segneten jedes im textsicheren Publikum untergehende Wort - erst Jamie Cooks Riffs durchschnitten den Kollektivgeist erfolgreich. Die einstudierte Lockerheit in Mr. Turners rhythmischem Geschaukle musste der Medizin sei Dank nicht über eine weiter andauernde Kehlkopfentzündung hinwegtäuschen, die nicht nur das Konzert in Offenbach auf dem Gewissen hatte, sondern einige weitere im heimatlichen England.
So wurde unter dem mit jedem Song wechselnden Licht das Maximum an Rock herausgeholt und Giganten wie Brianstorm, Teddy Picker, Crying Lightning und I Bet You Look Good On The Dancefloor ohne Gnade abgefeuert. Und die Mosh Pits feuerten zurück.

Leistete die Lichttechnik stimmungsvolle Arbeit, so wich die Zenith-Akustik abseits der Bühne und dem Zentrum stark von genießbarem Sound ab und verwandelte sich in eine Lärmwand, die weniger wegen musikalischer Kunst als schlecht übersetzter Lautstärke auffiel. Von springenden Klotzen passiv verprügelt und den langen Haaren der weiblichen Mehrheit (locker 2/3) gnadenlos ausgepeitscht, schleift man sich also zwischen Start und Ziel des Konzerts in sichere und angenehmere Gegenden, büßt dafür aber immerhin einige Übersicht über den Konzertverlauf ein.

Meinen Höhepunkt empfing ich daher wie kaltes Wasser auf ausgetrockneter Haut, als Drummer Matthew Helders den Takt zum attraktiven Arabella vorgab und jede Note, jede Textzeile dieses Genussstücks den anstrengenden Abend bezahlt machte.
Im Verlauf des abendlichen Gitarrenwechsels blieb kein einziger Songwunsch auf der Strecke - wenn überhaupt Kritik an der starken Setlist geübt werden sollte, dann am Unvermeidlichen: Fokus auf dem neuen Album, das mich mit seiner lediglichen Überdurchschnittlichkeit Anfang September negativ überraschte. Nichtsdestotrotz wurde der Spaß vor der nachträglichen Heimreise um Juwelen erweitert und Downtempo-Mädchenliebling Cornerstone wurde bloß durch die ewig unbeantwortete Frage des Lebens übertroffen, derer sich die Arctic Monkeys schlauerweise bemächtigten: R U mine tomorrow or just mine tonight?

Meine eingefleischten Favoriten live sehen, Turners Augenkontakt halten und ihn zur Vorderkante der Bühne winken zu können (hey, wer hat gesagt ich darf mir solche Sachen nicht auch einbilden?) beeindruckte mich an diesem Abend nachhaltig. Sollte der nächste musikalische Erfolg noch mehr zu meiner Zufriedenheit ausfallen, will ich die vier neuerfundenen Sheffielder gerne wieder mit Applaus in Person begrüßen. Bis dahin muss mein erstandenes T-Shirt-Arsenal eben halten.

StrawHat
(got two for the road)
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SETLIST  & HIGHLIGHTS:

01 Do I wanna know?
02 Brianstorm
03 Dancing Shoes
04 Don't sit down 'cause I've moved your chair
05 Teddy Picker
06 Crying Lightning
07 Fireside
08 Reckless Serenade
09 Old Yellow Bricks
10 Why'd you only call me when you're high?
11 Arabella
12 I want it all
13 Pretty Visitors
14 I bet you look good on the dancefloor
15 Do me a favour
16 One for the road
17 Fluorescent Adolescent
18 I wanna be yours

ENCORE:

19 Snap out of it
20 Cornerstone
21 R U Mine?

Foto by Getty Images

Donnerstag, 14. November 2013

1.5.5 Linkin Park - Recharged

2.0/10.0

Womit wir die erneute Selbstinszenierung eines ohnehin schon beträchtlich mangelhaften Albums verdient haben? Selbstverständlich damit das Label und alle Beteiligten noch mehr Geld verdienen.
Die vermeindlich mit der Zeit gegangenen Künstler von Linkin Park scheinen jedenfalls mit ihrem eingeschlagenen Weg zufrieden zu sein, sich mit ihrer stark verkauften musikalischen Gemütlichkeit im Einklang des amerikanischen Star-Alltags als erbrachte Leistung abzufinden (was die wohl so treiben, außer machen wonach ihnen ist?) und alle paar Gehaltschecks ihre Kumpelz zusammen zu trommeln um die erfolgreich aufgenommenen Songs "neu" zu interpretieren.
Das Ergebnis kann noch so miserabel sein, man zahlt bei Erscheinung trotzdem 16-18 Euro dafür.

Im Falle von Recharged, dem Namenserbe vom bedeutungsvollen Reanimation, dem meines erachtens gelungenen Remixalbum ihres Debuts, hat man sich für die effektivste Methode entschieden. Das heißt, möglichst viel kostensparenden Effektschmuh in unerträglich einfach gestrickte Songfundamente reinzuhauen um es dann als planlose Remixsammlung auf den Markt zu bringen. Mike Shinodas Interesse an Dubstep dürfte wohl als Ansatz gereicht haben. Mehr als ihn und ein paar Gäste wie Pusha T, Steve Aoki und Linkin Papst Rick Rubin hat es sicherlich nicht gebraucht, um den Wind für ein neues Album wieder aufzuladen.

Womit sich trauernde Fans schon längst abgefunden haben, ist, dass man nicht anders kann als dieses elektronische LP genauso zuzulassen, wie alle anderen Mainstream-Richtungswechsel. Die Band ist wie eine leere Leinwand auf der Rückseite eines Clubs. Und die tanzenden Gäste, die sich in diese Gasse verirren oder nach einem ausgiebigen Besuch zugedröhnt anlehnen und auf diese Fläche übergeben, formen die kommenden Veröffentlichungen. Als wahrlich einzige Konstante ist Chester Benningtons mittlerweile zur Eintönigkeit verkommene Gesangsdarbietung zu nennen, die sich auch durch dieses Album schleppt wie Musik-gewordene Langeweile.

Nicht zu vergessen: Überraschung! Der einzige neue Titel ist nicht minder schlecht und mit dem Netz aus dem Soundsumpf geangelt wie der Rest der Scheibe.

Uninspiriert, mäßige Veränderungen unspektakulär ausgeführt, teilweise minimale Abweichungen vom eigentlichen Lied, Dubsteprotz aus der Konservendose, aufeinanderfolgendes Geheule, kein einziger stabiler empfehlenswerter Titel. Faul.
Jedes weitere Wort gleicht dem ausgegebenen Geld: Verschwendet.

StrawHat
(never again victimized)
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TRACKLIST:

01 A Light That Never Comes (with Steve Aoki)
02 Castle of Glass (M. Shinoda Remix)
03 Lost in the Echo (KillSonik Remix)
04 Victimized (M. Shinoda Remix)
05 I'll be gone (Vice Remix) (feat. Pusha T)
06 Lies Greed Misery
07 Roads Untraveled (Rad Omen Remix) (feat. Bun B)
08 Powerless (Enferno Remix)
09 Burn it down (Tom Swoon Remix)
10 Until it breaks (Datsik Remix)
11 Skin to Bone (Nick Catchdubs Remix) (feat. Cody B. Ware and Ryu)
12 I'll be gone (Schoolboy Remix)
13 Until it breaks (Money Mark Headphone Remix)
14 A Light That Never Comes (Rick Rubin Reboot)

Mittwoch, 13. November 2013

2.58 BATMAN: ARKHAM ORIGINS (PS3)

6.5/10.0

Mit neuen verantwortlichen Entwicklern und Schreibern, dafür aber wiederverwerteten Maps und Ideen, geht der dritte Arkham-Titel an den PS3-Start und schlachtet das facettenreiche Villain-Feuerwerk in diesem Prequel bis an die Grenzen des Blödsinns aus. Mit wenig bis gar keinen befriedigenden Umsetzungen wurde dafür gesorgt, dem anständigen und besonderen Arkham Asylum-Denkmal noch ein paar verunstaltende Graffitis hinzuzufügen.

Aber beginnen wir mit der Fledermaus in der Höhle:
Langweiler-Crimeboss Black Mask setzt ein Kopfgeld auf den recht frisch im Geschäft wirkenden Batman aus, der in den bisherigen 2 Jahren zwar Gothams Abschaum eingrenzen, aber nicht auslöschen konnte. Das Ergebnis ist eine Weihnacht, die mehr Terror und Gewalt bereithält, als seine bisherigen Schlachten zusammen. Zahlreiche Feinde planen Fallen und Attentate, um den dunklen Ritter zu brechen und von den Fersen der Geld-bringenden illegalen Geschäfte ein für allemal fern zu halten.
In dieser einen verschneiten Dezembernacht stößt der Protagonist also auf eine Vielzahl plötzlich in Erscheinung tretender Gegenspieler, um ihnen nacheinander die Kerze auszupusten.
Was dabei deutlich wird: Die Gleichheit mit Arkham City wird nach der Geographie um einen weiteren Punkt verdeutlicht: Die Story.

Mit brachialer Gewalt werden Gegner verheizt und zwischendrin als minimale Subquests fallen gelassen, blitzschnell gezeigt und ohne wichtigen Beitrag wieder verworfen. Das gut gemeinte Detektivspiel der Verbrechensrekonstruktion lässt einen weder besonders gescheit, noch wahnsinnig zufrieden zurück und der Stealth-Modus findet sich deutlich einfacher und mit dem Kopf durch die Wand lösbarer wiedergeboren.
Es ist Wischiwaschi-Batman. Bloß weil man Spielzeuge an den Kopf geworfen bekommt, heißt es nicht, dass man damit viel anfangen kann. Es bleibt bloß ein sinnloser Bluterguss zurück.

Von Bugs und Glitches wurde ich mit der PS3-Version immerhin eher verschont. Ab und zu zerschoss es den Sound, die flüssige Grafik, oder die Ausrüstung tat gar nicht wie geheißen. Das Weiterkommen in der an und für sich ergreifenden Batman-Atmosphäre wurde hingegen nie riskiert.
Die fehlende Nachhaltigkeit der gelösten Fälle und zu Boden gebrachten Feinde lässt das Spiel unterm Strich fahl und langweiliger wirken, als es während des Spiels tatsächlich war. Wie in den vorherigen Spielen wurden die kreativen Gadgets gut genutzt um die sicher viel zu stark wiederholenden Schlägereien hinter sich zu bringen oder Collectibles zu erreichen. Es ist eben der fehlende Fortschritt, der diese Spielerfahrung zum Gegenteil eines Must-Plays mutieren lässt.
Alles schon gehabt.

Für den nächsten Titel, einem Arkham World etwa, fielen mir zahlreiche Wunschziele ein um dem Preis des Spiels gerecht zu werden: Würdevollerer Umgang mit den starken Charactern aus dem Franchise etwa, oder sie in weniger repetitiven Fights bezwingen zu müssen. Neue und ansehnlichere Maps oder geschickter eingefädelte Storywandlungen sind selbstverständlich auch vorzuschlagen. Warum tritt Arkham auf der Stelle, wenn es doch so gute Ansätze hatte?

Beim nächsten Mal wird die Note mit Sicherheit nicht mehr durch die gute Synchronarbeit und Animation aus dem Schlamassel gezogen. Da will ich Entwicklung sehen.

StrawHat
(vom neuen Joker positiv überrascht)
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LINK:

BATMAN: ARKHAM ORIGINS E3 GAMEPLAY-TRAILER: http://youtu.be/i6AoJB54Y2o

Samstag, 9. November 2013

2.57 OUTLAST (PC)

8.0/10.0

Was man so über das Horror-Game des Jahres hört, ist wahr. Es stresst, es erschreckt, es widert an.
In FP eine Kamera zu tragen und die zuerst bloß beunruhigenden, später verstörenden, Erlebnisse im Mount Massive Asylum, einer beispiellos dargestellten Klischee-Psychatrie in den Bergen von Colorado, aufzuzeichnen, sowie das betont unangenehm dunkle Innenleben mit der Nachtsichtfunktion zu durchleuchten, mutet außerdem als verflucht gute Idee an, überzeugt noch mehr durch unkomplizierte und gelungene Umsetzung.

Die Szenen, die auf Miles Upshurs Reise durch die schwer mitgenommene Anstalt am Meisten verstören, sind jedoch nicht die Blutigsten (wenn auch graphisch mitreißend), sondern die geglückten Jumpscares - da selber ausgelöst, die stressige Flucht vor Insaßen und die noch stressigere Suche nach Versteckmöglichkeiten.
Dem Trend, immer einen Spind oder ein Bett zur Verfügung zu wissen, in oder unter dem man sich in Sicherheit bringen kann, wirst du während der knappen 20 Stunden Spielzeit den Entwicklern sei Dank nicht müde.
Auch wenn Feinde ab einem gewissen Zeitpunkt leicht ihren äußerlichen Schrecken verlieren und die A.I. nicht selten durchschaubar wird, die Verblüffung, wie gründlich sie manchmal nach dir suchen, ist ein weiteres großes Pro dieses Titels. Das Entkommen wird dir nicht zu leicht gemacht.

Vor dem Betreten des Gebäudes wird in atemberaubender Grafik schon impliziert, dass du den Laden auf den Kopf stellen wirst müssen. Die zähe Suche nach Antworten für den chaotischen Zustand der Anstalt führt einen in sämtliche Stockwerke, sowie - wie kann es auch anders sein - die Abwasserkanäle. Gejagt von einem fies aussehenden Fleischberg, scheinen bloß die rasch gekritzelten Notizen deinen Protagonisten bei Sinnen zu halten. Die Atmosphäre, sei es ein verlassener Schauraum, ein bedrückendes Kanalgemäuer oder das alles erschwerende Sauwetter, droht Miles ständig zu erschlagen. Als er dann noch gefangen genommen, und zum Teil dieses erschreckend schiefgelaufenen Experiments gemacht wird, droht ihm der Verstand zu versagen und Urinstinkte das Kommando übernehmen zu lassen.

Stimmungsmäßig haben die kreativen Köpfe das Maximum herausgeholt. Spiele mit Licht und Schatten, Erwartung und Furcht, den nicht vorhandenen Optionen sich zu Wehr zu setzen, aber wiederum ausgebauten Möglichkeiten seine Umgebung zu checken (um Ecken zu gucken und beim Laufen hinter sich zu schauen) ist nichts weiter als anerkennender Applaus hinzuzufügen. Outlast wird binnen Stunden schnell zum Paradebeispiel für intelligenten Horror in Videospielen, zum mehr als leistbaren Preis.
Antreibende Panik, irgendwann ohne Batterien für die Nachtsicht deiner Kamera in der Finsternis zu stehen, lässt einen zügig voranschreiten, fest zu hängen passiert dank der - durch erlernte Vorsicht feststellbar - übersichtlichen Patterns der Gegner lediglich kaum bis gar nicht.

Was das Spiel an einer Topwertung jedoch vorbeisausen lässt, ist die Offensichtlichkeit des letzten Stücks, die im Nachhinein sehr unspektakulär dargestellten letzten Szenerien, schließlich verdichtet durch ein Rohrkrepierer-Ende, das den üblichen drei Vierteln des Games nicht würdig wird.

Outlast ist als ein mutiges Stück Horrorkunst zu sehen, behandeln und kaufen. Das Geheimnis zufriedenstellender Erfolge scheinen immer weniger die abgenutzten Franchises zu sein, stattdessen aber die hin und wieder aufkommende Verdichtung mehrerer genialer Entwickler mit Arbeitsreferenzen aus vielen starken Spielen wie Assassin's Creed, Uncharted und Splinter Cell.

Bitte spätestens auf der PS4 zuzugreifen.

StrawHat
(offensichtlich mit dem Finale unzufrieden)
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LINKS:
  
OUTLAST TRAILER: http://youtu.be/F80Wv66GYSs

Sonntag, 6. Oktober 2013

1.39.2 James Blake - Overgrown

7.3/10.0

30 Sekunden in Overgrown, dem Album, sind zugleich 30 Sekunden im gleichnamigen Titeltrack, der das Songensemble des zweiten Longplayers mit fast fremdartiger Betonung der Lyrics anführt.
And I want you to know / I took it with me / And when things are thrown away like the are daily mündet in einen minimal hörbaren Gap, nahe einem akustischen Cliffhanger, der jedoch einen Reim darauf empfängt, bevor ein solcher Bedarf überhaupt ausgesprochen wurde: Time passes and the constants stay.
Es sind nur die ersten Sekunden des Songs, und somit des Albums, doch Mr. Blake öffnet mit seiner gehauchten, geschmeidigen Handschrift die Tür für Emotionsmonster, Sorgendämonen und Ohrwürmer und man kann nichts anderes unternehmen, als paralysiert dabei zuzuhören und zu staunen, wie diese orchestral ihre Plätze einnehmen, Melancholie die Überhand gewinnt und binnen 5 Minuten eine alles andere als alltägliche Bühne aufgebaut wird, mit den Gedankenblasen des 25-jährigen im zentralen Scheinwerferlicht.

Wie schon am weltweit bejubelten Vorgänger sprechen Stille und minimalistische elektronische Effekte ganze Bände in Blakes Kompositionen. Die geheulten Worte spulen sich oftmals undeutlich im Vordergrund herunter, wandern dann freiwillig ab und mauern die kommenden Höhepunkte der Songs gesanglich ein, sodass ein stabiles Fenster in den tragenden Sound entsteht.
Life Round Here und Take A Fall For Me, wenn auch mit - für Blakes Verhältnisse - beachtlicher Dynamik ausgestattet, wabern schmerzhafterweise gerademal als zeitvertreibende Übergänge im klanglichen Irragarten um ihr Leben, wenn die darauf folgende Singleauskopplung seine Zeit kommen sieht. Der liebevoll geloopte Chorus der anderen Songs - davor und danach - greift nämlich erst nach mehreren Anläufen, da Retrograde viel zu hell erstrahlt und sich selbstbewusst inhaltlich wie musikalisch zu den befriedigensten Werken des Londoners rechnet.

Was folgt, sind beruhigend soullastige Pianoballaden (DLM), erschreckend punktuelle Dubstepnachwehen (Digital Lion) und launische Experimente (Voyeur), die mit dem gefährlichen Schwert der Reizüberflutung spielen und diesem schwierigen Album die Rolle eines Motors zusprechen, das im Ganzen unter keinen Umständen im Stillstand gehört werden darf.
Reiht sich Overgrown also deswegen unter die zahllosen Beispielalben der introvertierten Laufmusik?
Bloß bedingt, denn gegen Ende und fast unterm Strich ist es wieder Herbsttag-, bzw. Hintergrundsound. Ihm fehlt die gezielte Irritation des Vorgängers, hauptsächlich die freche Verwendung von Breakbeats. Rap mag im Gesamtbild nicht deplatziert wirken, James Blakes Interesse an der entstandenen Symbiose patzt jedoch etwas uneingeladen in den ruhigen Abend. Die Wahl der Prediger versöhnt einen dafür mit dem entstandenen Umstand immerhin zügig, RZAs bodenständiger Style hielt den Experiment-orientierten Augen von Kanye West, einem Zeitgenossen des Künstlers zur Zeit der Produktion, wacker stand.

Ein inspirierendes Follow-up, ein gelungenes, beruhigendes Album ist ihm da gelungen. Zweifellos ist Blakes Gesang für alle, die nicht sofort damit können, gewöhnungsbedürftig. Aber bei all den winselnden Popplärrern, die man sich unfreiwillig täglich geben muss, stechen die stets mit Bedacht und Nachdruck aufgenommenen Vocals spürbar heilsam hervor. Auf den Rest macht man sich bequem zeitnah einen Reim, denn Bedarf hat man nach einzelnen Kostproben sowieso.

StrawHat
(wants you to know)
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TRACKLIST & HIGHLIGHTS:

01 Overgrown
02 I Am Sold
03 Life Round Here
04 Take A Fall For Me
05 Retrograde
06 DLM
07 Digital Lion
08 Voyeur
09 To The East
10  Our Love Comes Back
 

Freitag, 27. September 2013

IX : 3RD BIRTHDAY


Die Zuschaltungen der Vorjahre haben sich im dritten Durchgang verdoppelt und ich möchte mich bei allen Leserinnen und Lesern herzlich bedanken, dass sie hin und wieder reinschauen um sich neue Strawpinions rein zu ziehen und sich ein faires Rating bzw. eine brauchbare Bewertung von Musikern, Alben und Spielen abzuholen.
Die Vorstellung, wie Leute da sitzen und lesen, motiviert mich.
Und ich bin noch lange nicht fertig.

 So stay pinioned!

StrawHat
(pustet in de Partytröte: PFFRRRRT!!!)

Montag, 23. September 2013

1.40 Nujabes


It's funny how the music put times in perspective /
Add a soundtrack to your life and perfect it /
Whenever you are feeling blue keep walking and we can get far /
Wherever you are.*

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Als Seba Jun kurz nach seinem 36. Geburtstag verstarb, ging ein Raunen durch das Internet. R.I.P.-Bekundungen in Foren, Musikstreamseiten und -portalen verdeutlichten einen menschlichen Verlust, dessen Berichterstattung man in Nachrichtensendungen auf der ganzen Welt fast unbewusst vermisste. Dies lag zum einen daran, dass es nie wirklich etwas publizierenswertes über den Tokyoter Produzenten und DJ zu berichten gab, außer die Entwicklung einer neuen Kollaboration oder der Erscheinung einer weiteren Scheibe. Und zum anderen daran, dass das Internet als unersetzbares Medium der Daten- und Informationsübertragung unter anderem dafür sorgte, dass wohl die Musik keines Künstlers so nachdrücklich und betont empfohlen, verlinkt und geschenkt wurde und wird, wie die einzigartigen Beats von Nujabes.


1 - Beat Laments The World
F.I.L.O., I'd rather do nothing else /
If I follow my heart to the last pulse /
Like the last man down in the towering inferno of Babylon /
First in, last out.**
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Das mag eine äußerst subjektive Auffassung sein - eine, mit der ich mich sogar aus dem Fenster lehne. Gedacht ist es als Ausrufezeichen, das auf dieses viel zu kleine Lebenswerk des Japaners hinweisen soll. Eine große Bitte gar, sich seinen stimmungsbeeinflussenden, menschenverbindenden Tracks zu widmen und zeitnah ein Bild von seiner Musik zu machen.
Was sein rhythmische Down- wie Uptempo-Melodien so faszinierend macht, ist nämlich u.a. die zwirbelnde Jazz-Komponente, die ein zugleich erstaunlich introvertiertes wie forsches, verspieltes Feuerwerk aus dem Datenträger schießen lässt. Die erzählten Rhymes der vielzähligen Jamgäste spielen sich dazu wie aufgezeichnet ab. Man sieht Meisterwerke vor geschlossenem Auge, obwohl es nur die Musik ist, die man real wahrnimmt. Nujabes' abwechslungsreicher Soundspielplatz bietet zeit- und zornvertreibende Attraktionen, die mal instrumental, mal nicht, Raum zum Durchatmen geben. Es putzt das von Druck und Anspannung überlastete Hirn durch, ohne gedankenlos und erfolgsorientiert zu wirken. Gleichzeitig funktionieren die treibenden Beats aber mit einem Ohr lesbar und unkompliziert.
Es ist Jazz Hop-Entspannungsmusik.

2 - Music Is Mine
A freelancer / A battlecry of a hawk make a dove fly and a tear dry /
Wonder why a lone wolf don't run with a clan /
Only trust your instincts and be one with the plan.***

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In den wenigen Jahren, in denen Nujabes aktiv war, wurde also immerhin viel Nachhaltiges geschaffen. Die freundschaftlichen Sessions mit CYNE's Cise Starr, einem einstmaligem Undergroundtalent von der amerikanischen Ostküste, und selbstverständlich den ortsnahen Kompositionen mit Shing02, einem erklärten Freund des Künstlers, da vom selben Fach, mündeten in das weltweit als Meisterwerk angesehene erste Studioalbum Metaphorical Music. Diese über eine Stunde laufende Zusammentragung einzelner vielschichtiger Hip-Hop-Experimente legte den Grundstein für die spätere Anerkennung seiner magischen Tracks.
Richtig interessant wurde es für aufmerksame Ohren jedoch erst mit dem viel gelobten Battlecry, dem legendären Opening der zweischneidigen schwarzen Animekomödie Samurai Champloo, deren 26 Episoden mit Nujabes' unvergleichlichem Tonensemble, sowie den abgeklärten Vocals von Shing02 eingeleitet wurden. Fast vergaß man, dass man die Sendung für die gute Show sah, und nicht für den musikalischen Beitrag.

3 - Spiritual State
Throw your hands up in the sky /
Wave around from side to side /
we about to get fly.****
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Doch Nujabes Lebenswerk ist auch nur mit den durchwegs liebevoll eingebundenen Instrumenten zusammen zu fassen, die auf den weiteren Alben stärker in den Mittelpunkt gerückt wurden. Geglückte Piano-Loops schmiegen sich zärtlich an eine Reihe klassischer Instrumente und den beruhigenden Hip-Hop-Pulsschlag an und eine glückselige Klangwolke tröstet einem das gebrochene Herz, über Jun Sebas tödlichen Unfall an einer tokyoter Autobahnausfahrt und das daraufhin lediglich posthum veröffentlichte dritte Studioalbum Spiritual State.
Der unnötige Tod eines so wertvollen (weil friedfertigen), talentierten menschlichen Wesens ist ein Anhaltspunkt für mich, dass kein Gott, sondern Chaos diese Welt überwacht. Es geht Hand in Hand mit der Erkenntnis wunderschöne, treibende, tragende und inspirierende Melodien zu erfahren, und der absoluten Vergänglichkeit, mit der man sich als lebender Mensch irgendwann befassen muss.
Wenigstens scheine ich für diese Gedanken nun einen passenden Soundtrack gefunden zu haben.

StrawHat
(tief)
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STRAWPINIONS:

Absolute Anspieltipps: Lady Brown, Luv (Sic) Part 3*, Kumomi, Beat Laments The World, F.I.L.O.**, Feather, Battlecry***, Latitude (Remix)****, Spiritual State, City Lights, World's End Rhapsody

LINKS: 

LIVE AT THE MODAL SOUL RELEASE PARTYhttp://youtu.be/hN_4l80sMYM 
NUJABES TRIBUTE SITE:  http://www.nujabes.org