Donnerstag, 12. September 2013

1.14.5 Arctic Monkeys - AM

7.6/10.0

Die Arctic Monkeys wissen was sie tun. Jeder Augenkontakt on stage zeugt von eingespieltem Verständnis, abgestimmtem Rhythmus, kumpelhaftem Flow. Alex Turners stramme Textwellen schlagen gegen die ebenso wohl überlegte wie gut durchgeführte Soundküste, bedeutend einer starken Flut in mystisch überlieferten Legenden biblischen Formats. Texte, die wie Unheil heißende brennende Zündschnuren ihren Weg ziehen, bei der kurzweiligen Berührung einer größeren Menge Schwarzpulver kurz an Kraft gewinnen, um sich schließlich doch geduldig dem über 40 Minuten-langen Weg zum Pulverfass am Ende der Spur zu widmen. Unglücklicherweise steht dort aber keines.

Es stellt sich aber natürlich die Frage, ob eine erfolgreiche Explosion überhaupt das Ziel war. Denn wenn man Interviews und Eindrücke der Mitwirkenden liest, so entsteht der Eindruck, dass eher die Reise des Albums das Ziel war, als die abschließende befriedigte Meinung über das neueste Werk der nordenglischen Band. Offenkundig eine spätnächtliche Reise, die viel mit sinnvoller Verwertung weiblicher Trophäen eines zögerlich nachwirkenden Streifzugs durch den Club bzw. die Bar zu tun hat.
Are you mine tomorrow / Or just mine tonight schnurrt Turner in seiner neu gefundenen, geschickt aufgesetzten Rolle mit der amerikanischen Souveränität eines Greasers. Und der Hörer kann der beeindruckten Lady nicht böse sein, sich auf dieses anzügliche Spiel einzulassen. Denn die Zündschnur brennt die Form eines hoffnungsvoll verlorenen Herzens nach, lässt Turners brutal romantische Metaphern glänzen wie den als Kulisse dienenden Sternenhimmel.

Zwischendurch erweckt eine pikant eingesetzte E-Gitarre dieses weitestgehend Ton-in-Ton gehaltene Werk zum Leben und lässt es in seinem dunklen Festsaal zufriedenstellend rotieren. Arabella ist ein Pulverfass-nahes Kunstwerk, das nicht nur den Höhepunkt der von Josh Homme verbrochenen Arctic Monkeys zu präsentieren hat, sondern auch die höchst talentierten Sounderben von - diesmal nicht so Bibel-gleichen - zentralenglischen Legenden.
Wer dann also auf halbem Wege die Idee hatte vom Gaspedal zu gehen und sich dem bestechend mitschunkelbaren Sound eines langsam aber unabstreitbar tatsächlich endenden Abschlussballs zu widmen, gehört verflucht.
Man hört diese zu ihren Anfängen so arschtretende, explosiv schnelle, geistreiche, laute Band nunmal nicht für 08/15-L'amourhadscher wie dem leider verzeihbaren No.1 Party Anthem und Mad Sounds und seinen schleimigen Ooh-La-La-Passagen, die der betanzten Momentaufnahme einer Rentnerparty gleichen.
Ich erhoffte mir von ihnen die  Musik zurück, die sich fast überschlägt, neu (er)findet und sich nicht in eine Ecke stellen und deuten lässt.

Aber die sich noch immer von Hommes wüstenamerikanischem Biss erholenden Künstler spülen das zirkulierende musikalische Gift des Ringhalsnatter-gleichen QOTSA-Frontmanns gar nicht erst heraus, sondern leben ihre Wunde, gehen den schon auf Humbug begonnenen und auf Suck it and See zum Tageslicht geführten Pfad bis zum perfektionierten spätnächtlichen Ende.
Ich kann den Zugpferden R U Mine? und Do I Wanna Know? keine Authentizitätspatzer vorwerfen, doch ihre tragende Dominanz macht es dem Rest des Albums schwer, Boden zu fassen und den in den Anfangstracks angekündigten Disziplinen gleich zu ziehen. Seien es Helders bzw. O'Malleys gehauchte Backvocals oder die trockenen, formulierten Riffs - jedwede entscheidende Sinnhaftigkeit der Scheibe findet man binnen den ersten pechschwarzen 3-4 Tracks, bzw. im versöhnlich zwielichtigen Abschluss mit I Wanna Be Yours.

Beim mehrmaligen Hören der Scheibe bin ich aus verschiedenen Gründen also den Tränen nahe. Denn erscheint mir der Rockmessias in der ersten Viertelstunde höchstpersönlich in Topform, so zeichnet sich beim relativ langsamen bzw. steifen Schwingen der fürchertlich kontrollierten Genialität der hochbegabten Rockband Arctic Monkeys eine Blasphemie ab, deren Fäden an den Fingern des nicht minder talentierten Josh Homme hängen, er seine vier Jahrhundertfänge wie im Höhepunkt vom Chancen zur Versöhnlichkeit vergebenden Knee Socks (das alle Zweifel an diesem Album mit einem umreissenden, vereinenden Finale aus dem Gehirn hätte wischen können) hörbar zappeln lässt und väterlich den Überblick über Turners Textkunstwerk behält.

Die Arctic Monkeys wissen was sie tun. Sie scheinen den Stand der Dinge als Ziel ihrer bisherigen Entwicklung zu sehen, ihr Wüstenstudio lieb gewonnen zu haben.
Ich wünsche mir, dass sie aus ihrem amerikanischen Traum erwachen und wieder unberechenbar werden.

StrawHat
(versteht nicht wie in so viel Falschheit diese Menge an Richtigkeit liegen kann)
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TRACKLIST & HIGHLIGHTS:

01 Do I Wanna Know?
02 R U Mine?
03 One For The Road
04 Arabella
05 I Want It All
06 No.1 Party Anthem
07 Mad Sounds
08 Fireside
09 Why'd you only call me when you're high?
10 Snap out of it
11 Knee Socks
12 I Wanna Be Yours  

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