Donnerstag, 15. August 2013

1.33.2 Kanye West - My Beautiful Dark Twisted Fantasy

8.5/10.0

Can we get much higher?
Eine gute Frage. Glücklicherweise haben wir Kanye West im Gepäck, der uns 2010 vermutlich das Album seines Lebens offenbarte. Das 69 Minuten-Werk (.. ausgerechnet ..), unter anderem als Konzeptalbum gehandelt, beantwortet die Frage ohne weitere Umschweife. Auch wenns eher wackelig losgeht, denn Dark Fantasy, an und für sich ein fantastischer Start in das Album, legt die Fallenkarte des bemerkenswert schlechten Gesanges auf den Tisch.
"Aber vielleicht ist Kanye West einer der großen Musiker dieser Welt, eben weil er eine handfeste Atmosphäre in Minuten aufbauen und in wenigen Sekunden einreissen kann"
Diese Macke soll etwas Gutes, ein wichtiger Aspekt am Künstler sein?
Nein, es ist ein unsinniger taktischer rechter Haken ins Innenohr, den der geschulte Hörer dieses Albums nicht verdient hat.

Umso schmerzhafter, dass fast der komplette Rest einem unumstößlichen Meisterwerk gleicht. Selbst als West den Boden der unbringbaren Reime entlangschleift, erschafft er eine unnachahmbare Stimmung, deren Zweck im Großen und Ganzen die oftmals grobschlächtigen Mittel heiligt. Dies betrifft die gierige Kralle im Sampletopf, die allgegenwärtige Pussy-Referenz (wie sollte man den Sexualpartner auch anders aufs Papier bringen?), gratwandernden Autotune, und selbst einen Skit gegen Ende des Albums, der nach dermaßen schlechtem Humor stinkt, dass er wieder witzig ist.

Wohlwissend, dass seine lieblichen Gesangsqualitäten ihn nicht durch die ganze Scheibe werden retten können, hat sich der Künstler aber ausreichend Unterstützung verschafft (kennt ja jeder jeden in dem Biz). John Legend, Jay-Z, Kid Cudi, Pusha T und ein gigantischer ähnlicher Buchstabensalat an Namen geben sich auf dem Album die Studioklinke in die Hand, auch wenn es bloß um die Produktionsüberwachung geht.
Als Regisseur seines Gesamtkunstwerk überzeugt West ebenfalls in jedweder Hinsicht. Über das musikalische Gespür, Verwendung von etwaigen Instrumenten und Pay-Off seiner zweideutigen Texte fährt die Eisenbahn mitsamt ewigem Güterwaggonanhang. Sei es die Verwendung der biegsamen Nicki Minaj (und ihrem, wie mir zu Ohren kam, berüchtigten) Einsatz im Track Monster, die bislang einzige genießbare Single mit Rihanna an Bord - All Of The Lights, oder den perfekt sitzenden, anbetungswürdigen Samples im Jahrhundertsound des Hell Of A Life-Tracks.
Zum Niederknien.
Und dabei handelt es sich bloß um die eigentliche Spitze eines überwältigenden Eisbergs, denn um die lyrische Wirkung des Promotion-Zugpferds Power lässt sich ebenso wenig streiten wie über das gefühlvolle Gehauche in Blame Game. Auch die nachhaltig widerspenstige Aussprache von Ridiculous auf dem ewigen Beschwerdebrief So Appalled kann nicht oft genug gehört, belacht und respektiert werden.

Nein, selbst perfekt geschliffene Ecken und Kanten eines Kanye West können über so ein Album nicht hinausragen. Ein Mann, der sich beigebracht hat, nicht die Schnauze zu halten und den Geldgebern wie -verdienern allerorts seine unverblümte Einstellung über Gott und die Welt ins Gesicht zu klatschen, egal ob es die Leute nun interessiert oder nicht. Sein Vermächtnis wird unumgänglich sein, der Menschheit mit seinem Schicksal, seiner Meinung und seinem Sexleben so penetrant im Ohr gelegen zu haben, dass sein Name im selbigen haften blieb.

Im Sinne einer großartigen Songsammlung und dem Privileg es mit voller Lautstärke auf einer mit ordentlichem Bass unterlegten Anlage hören zu können, mich himmelhochjauchzendem Rihanna-Chorus und zu Tode betrübten Runaway-Gedankenmanifestationen hingeben zu dürfen, räume ich Mr. West diesen Platz aber gerne ein. Er mag ein, selbst für erfolgreiche Künstler, bemerkenswerter und an Selbstüberschätzung leidender Douchébag sein, aber spätestens mit My Beautiful Dark Twisted Fantasy ging er in die Geschichte ein.

Couldn't get any higher than this.

StrawHat
(needs more than pussy and religion)
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TRACKLIST & HIGHLIGHTS:

01 Dark Fantasy
02 Gorgeous (feat. Kid Cudi & Raekwon)
03 Power
04 All Of The Lights [Interlude]
05 All Of The Lights
06 Monster (feat. Jay-Z, Rick Ross, Nicki Minaj & Bon Iver)
07 So Appalled (feat. Swizz Beatz, Jay-Z, Pusha T, Prynce Cy Hi & RZA)
08 Devil In A New Dress (feat. Rick Ross)
09 Runaway (feat. Pusha T)
10 Hell Of A Life
11 Blame Game (feat. John Legend)
12 Lost In The World (feat. Bon Iver)
13 Who Will Survive In America

[Try the whole thing please]

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