Freitag, 20. April 2012

2.40 ALICE: MADNESS RETURNS (PS3)

 

Hoffnungserfüllt, die tragischen Geschehnisse und den Verlust ihrer Familie hinter sich gelassen zu haben, sucht Alice Liddell - ein Jahr nach ihrer Entlassung aus der Psychatrie - in den Hypnose-Gesprächen mit ihrem Psychotherapeuten innere Ruhe und Zufriedenheit. Doch erneut bricht Chaos über dem Wunderland herein und verzerrt den geliebten Zauber der jungen Frau. Erneut sieht sie sich mit abstrusen Halluzinationen konfrontiert, pendelt stets gefährlich depressiv, wenngleich alles andere als wortarm, zwischen Realität und Traum, während sie von Nachbarn und Bekannten abschätzend beobachtet und als öffentlich anerkannt "Gestörte" stehen gelassen wird. 
Diesen Albtraum leid, tritt Alice die Reise zur Heilung ihres Seelenleids und zur Enthüllung über die Entstehung des schicksalshaften Brandes an, nicht ahnend, was für ein steiniger und blutiger Weg das werden würde.

Alice: Madness Returns hat mich zu Beginn richtig geflashed. Diese Stimmung, dieser Himmel, diese Alice - alles passte wie die Faust aufs Auge. So wohl hab ich mich in dieser Wunderlandwelt nicht mehr seit der Disney-Version gefühlt. Ja, es verging keine Stunde, da erschien mir meine tragikomische Erfahrung mit dem Vorgänger wie ausgelöscht bzw. wieder gut gemacht.
Vom ersten schwarzgrauen Sekündchen in diesem Spiel, atmet man American McGees teuer umgesetzte Sequel-Visionen ein, erlebt, wie das so unantastbar melancholische Großbritannien vor sich hinsiecht und sich zögernd in das bunte Wunderland verwandelt, mit Pilzen und Puppen, die so groß sind wie Häuser, wo die Sonne einfriert und Walross und Zimmermann gefährlich sind wie nie.

Auf Knopfdruck klein? Dauerfeuer aus der Pfeffermühle?
In dieser skurrilen Welt werden den phantasiereichen Waffen und deren Handling neue Grenzen gesetzt. Ihr bekommt abgefahrenes Zeug in die Hände - zwar nur halb so viel wie im ersten Teil, doch mit ansehnlichen und spürbaren Level-Ups versehen - und schlitzt und fetzt euch mit Messer oder Teekessel durch die garstigsten Ecken dieser Traumwelt. Der rasche Wechsel zwischen superhübsch und grausam ungemütlich passiert förmlich binnen Sekunden - Alice macht sich wie besessen auf die Verfolgung eines verwüstenden Personenzuges auf höllischen Schienen, der eine Schneise in ihre Erinnerungen reisst. 
Hierbei muss sie sich auf die Hinweise und Hilfe alter Feinde, wie etwa den zum einen oder anderen Badass-Stunt bereiten Mad Hatter, verlassen. Selbstverständlich ist an jeder Ecke mit Verrat zu rechnen - spätestens im Reich der Unterwasserbewohner wird klar, dass Alice die Spielregeln in dieser neuen grotesken Geschichte niemals erklärt bekommen wird. Man löst Quests für Leute, die entweder nur Rätsel für einen übrig haben, oder mit blutigen Überraschungen aufwarten.
Wer die Charaktere aus den Büchern auch nur flüchtig kennt, wird von den Umsetzungen und der Gesichte hingerissen sein.

Mit breitem Grinsen aufgrund leuchtender Farben und spaßigen Kämpfen gegen Gegner, die man einfach nur verprügeln will, lernt man mehr über Alice Liddells Vergangenheit, und die Tatsache, dass der eigentliche Feind und Fädenzieher genau vor ihrer Nase war. 
Zwei Drittel dieses Spiels ziehen vorrüber, ohne dass man es merkt.
Aber irgendwann erwacht man aus der packenden Hypnose dieses vielversprechenden Titels und muss sich zumindest eine Hand voll unumgänglicher Fragen stellen. Wie zum Beispiel:

Warum wird man um gigantisch vorbereitete Bosskämpfe gebracht?
Warum ist jede Storyarc ein ermüdend langer Plattformer?
Wofür sammelt man die Bottle-Collectibles eigentlich?

Alice: Madness Returns konfrontiert einen gegen seinen Willen mit eeeendloooooseeeen Levels, die nicht uncharmant mit jedem Kapitel in neuem umwerfenden Kostümen um die Ecke schielen. Zwischendurch kratzt man Erinnerungen zusammen und macht sich mit geheimen Wegen ein vermeindlich spannendes Leben - doch ab einem gewissen Zeitpunkt wird der Verlauf über wandernde Böden und unsichtbare Plattformen ständig wiederholt - man streift entweder im Ozean umher, oder sucht in fernöstlichen Hochlanddörfern traditionsbewusster Insekten nach Erleuchtung, greift ständig auf Alice' wahnsinnig großzügiges Sprungrepertoire zurück, löst merkwürdige Puzzlequests oder schaltet zusätzliche Leben mit kleinen Kampfchallenges frei. Ewigkeiten lang.
Die Gegner - hübsch und originell designed - verlieren leider nach der hundersten Wiederholung an Wirkung, werden nach und nach bloß ihn neuer Konstellation auf euch losgelassen. Ein alles andere als innovativer Spaß, der mich zur frustrierenden El Shaddai-Ermüdungserfahrung zurück führt.
Auch im Bezug auf grob angeschlagene, buchstäblich geteaste, Bosse, gibt dieses Spiel Potential her. Wenn sie einen schon durch erschlagend lang gezogene Welten schicken, einen teilweise lediglich mit hübschen 2D-Levelabschnitten belohnen, dann erwartet jeder vernünftige Spieler einen gerechten Höhepunkt für jedes Kapitel. 
Aber: Gibt's nicht. Ihr stößt auf eure animierte Comic-Story und mit einem Mal sind die Stunden des Bergaufstiegs Geschichte und die Einführung zum nächsten Ast der Geschichte beginnt. 
Was?! Wieso?! Arghhh!

EA und Spicy Horse (McGees höchsteigenes Label) legen mit diesem Game leider bloß einen bombastisch wertvollen Start hin und verzaubern am Anfang zum höchsten Grad. Charaktere, Plot, Gameplay - es gibt stundenlang nichts zu meckern.
Aber irgendwann stürzt es ab und auch die glänzenden Details, ja selbst die stets fast stoische Wasserleiche Alice mit all ihrem Unterhaltungswert, können dieses aufbrechende Loch nicht auffüllen, fehlende Innovation wieder wett machen.
Das Sequel leuchtet jedoch immerhin deutlich heller als der erste Teil - eben weil es trotz der spielerischen Abwärtsneigung mehr Spaß, Sinn und Seele besitzt. 

Für mich ist Alice: Madness Returns eine wahrhaftig grandiose Umsetzung, die einen an den Eiern packt und sehr positiv wie negativ fordert. Ja, sie sollte trotz Albtraumgefährdung von so manchem geduldigen Interessierten probiert werden. Die Entwickler versuchten und vollbrachten etwas Bemerkenswertes, und das weit entfernt von einem perfekten Ergebnis.
Dürfte ich Facetten oder Spielabschnitte für einen Straward nominieren, so würde dieses Spiel ein direktes Ticket reissen. Die Entwickler versuchten und vollbrachten etwas Bemerkenswertes, und das weit entfernt von einem perfekten Ergebniss.
Aber wer erschafft schon solche Regeln?

StrawHat
(Ich)
---------------------------------------

LINKS:

ALICE: MADNESS RETURNS LAUNCH TRAILER: http://youtu.be/A2I8b-MUPVc

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen