Montag, 1. Juli 2013

1.33.1 Kanye West - Yeezus

8.0/10.0

Bei all den Tracks, die der Mann die letzten Jahre rausgehauen hat, war es schwer ewig einen Bogen um ihn zu machen. Aufmerksam wurde ich auf den penetrant schmeichelnden Autotune auf 808s & Heartbreak, nicht wissend, dass Mr. West die Jahre davor schon mitreissende Arbeit in diesem Business leistete. (Gut, Stronger war für mich auch nicht zu übersehen.)
Schließlich ließ ich ihn aber links liegen. Negativschlagzeilen und South Park trugen zu meinem beeinträchtigten Bild vom Unaushaltbarsten aus diesem Pool voller unbelehrbarer rappender Großmäuler bei, und ausgegraben habe ich ihn nur, weil er sich nun der interessanten Albumflut von 2013 anschließt (er selber würde wahrscheinlich behaupten, er führe sie an) und seine neue Scheibe Yeezus in den Sommer katapultiert um die getunten Lautsprecher in den Sportwagen dieser Welt zu beschäftigen (denn der mutige Rapper des kleinen Mannes ist er dieser Tage sicherlich nicht, da kann er sich noch so minimalistische Cover ausdenken.)

Konzertauszüge auf YouTube stimmten mich immerhin interessiert, schließlich hörte ich mich auf dem Vorgänger My Beautiful Dark Twisted Fantasy warm, konnte somit ... Yeezys musikalische Fehlentscheidungen und Genialität wertschätzen und mir von diesem hämmernden Kunstwerk ein ordentliches Bild schaffen, dieses schließlich gar in Geschriebenes umwandeln:

Gegen meinen ursprünglichen Eindruck von Kanye West, als grobschlächtiger Texter und "lediglich" kluger Producer, stellen sich also die meisten Lyrics auf Yeezus als glaubhaft tatsächlich dar und machen - wieder: meistens - Spaß am Sound.
Dass er dem Bass Flügel verleiht, darf an dieser Stelle nicht unausgesprochen bleiben. Eine Geräuschkulisse wie auf Yeezus bringt die Absichten eines talentierten Rappers und Denkanstößer zum nächsten Level, dazu kommt der außerordentlich schnittige Griff in die Sample-Trickkiste und der gute Eindruck ist perfekt: Er weiß was er tut.
Meistens.

Denn unüberhörbar bleiben - und nach meiner Erfahrung scheint es bei Kanye West ein leidiges Thema zu sein - Gesangdefizite und unsinnig gestrecktes Geheule, die einem den einen oder anderen gut gemeinten Track kaputttreten (Blood on the leaves, Guilt Trip). Mein guter Wille wird unterm Strich mit seinen hässlich umgesetzten Ideen (egal ob beabsichtigt oder unbeabsichtigt) an zu vielen Stellen überstrapaziert. Das pulsierende I'm in it beweist mir beispielsweise, warum ich mich niemals reinen Gewissens dem behandelten Genre verschreiben werde können.
Generell ist der Sound auf Yeezus, in all seiner animalischen Stärke, eigentlich kraftvolles Statement genug für mich um meine Ohren Wochen lang zu beschäftigen, wozu dann also primitive Redewendungen dichten und zusammenflicken, nur um Lücken zu füllen? Er kann nicht ernsthaft davon ausgehen, dass seine überwältigende Komposition immer für die beleidigend einfach gestrickten Passagen geradesteht. Und doch lässt er es so stehen, schreibt sich angeblich Texte Stunden vor Präsentationen neu zusammen und will den Eindruck erwecken ein monatelang durchdachtes Album fertig gestellt zu haben. Ha.

Die erste Hälfte des Albums ist immerhin originell und beachtlich stehen geblieben - ja, stärkere Musik hört man dieser Tage selten. Und dass er an Selbstüberschätzung leidet (I am a god), sorgt während diesem Gefetze immerhin für eine humorvolle Randnotiz. Das sympathische Wechselbad zwischen tiefer House-Schublade (On sight) und einer gottgegebenen rechten Geraden (Black Skindhead) motiviert in den ersten Minuten zu mehr und mehr - der Payoff von New Slaves alleine schießt mein Rating für Yeezus durchs Dach.
Diese polierten Samples glänzen an den korrekten Stellen und verabreichen Kanye Wests Musik ein zerbrechliches Fläschchen Unsterblichkeit. Bin ich froh, dass er um diesen Umstand Bescheid weiß.

In der eintretenden Ruhe nach dem experimentellen Finale Bound 2 (und einem weiteren Beispiel dafür, dass er sich mit seinen Vorstellungen hörbar weit aus dem Fenster lehnt) findet man jedoch in seinem Inneren ausschließlich Wohlwollen mit dem frischgebackenen Vater und alteingesessenen Millionär. Denn das ganze unmenschliche (übermenschliche?) Theater lebt in meinem Ohr lediglich auf Kosten ein paar herumliegender Euro und einer großzügig gerundeten Dreiviertelstunde, die man mit dieser Musikrichtung bereits sinnloser verbracht hat, als mit Yeezus.

StrawHat
(hurry up with my damn album cover)
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TRACKLIST & HIGHLIGHTS:

01 On sight
02 Black Skinhead
03 I am a god
04 New Slaves
05 Hold my liquor
06 I'm in it
07 Blood on the leaves
08 Guilt Trip
09 Send it up
10 Bound 2

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