Mittwoch, 21. September 2011

1.19 Massive Attack



Recollect me darling,  raise me to your lips
Two undernourished egos, four rotating hips
Hold on to me tightly, I'm a sliding scale
Can't endure then you can't inhale
Clearly
Out of body experience interferes
And dreams of flying I fit nearly
Surrounds me though I get lonely
Slowly*

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Sie sind musikalische Künstler, gestalteten eine bereits in die Jahre gekommene, doch kommerziell immer noch recht unvergewaltigte Stilrichtung mit, nehmen sich unverschämt viel Zeit und Platz für ihre gesammelten Tracks. Für Nebenprojekte ziehen Jahre ins Land. 
Bis endlich eine neue Scheibe auftaucht. Ähnlich wie bei Daft Punk, nur ein bisschen nebenher. Fast ungewollt, zufällig. Und bis sie aus ihren undurchschaubaren Gewässern auftauchen, scheinen sie nicht vermisst worden zu sein. Hölle, wenn sie sich überhaupt gegenseitig vermissten ...
Sie schaffen ihre Atmosphäre unmittelbar. Ich verbinde mit ihrem Namen ein Gefühl.
Es ist eine auf Melancholie basierende Blase, die ein bisschen Attitüde mit sich bringt. Vielleicht ein Stück weit a´la "Lass mir meinen Frieden. Ich brauche meine Ruhe."
Ihre Musik existiert für einsame Stunden. Man will meinen, sie sei dafür geschaffen worden. Für ein dunkles Wohnzimmer, in dem die blinkende Anzeigetafel der Musikanlage als einzige Lichtquelle dient. Für einsame oder zumindest ruhige Autobahnfahrten gegen 2 Uhr Nachts, oder für die Cooldown-Phase nach einem heftigen Streit. Es ist musikgewordener Chill. Du bist bei dir selbst und atmest in Ruhe durch.
Das ist Massive Attack.

1 - Karmacoma
Love, love is a verb
Love is a doing word
Fearless on my breath
Gentle impulsion
Shakes me, makes me lighter
 

Fearless on my breath**
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Grant "Daddy G" Marshall, Robert "3D" Del Naja und Andy "Mushroom" Vowles treffen als das Kollektiv The Wild Bunch Mitte der 80er Jahre aufeinander, werden sogar wegen ihren Mixes und den ersten Anfängen ihres späteren Stils von bezahlendem Publikum gefeiert.
Bis es so richtig anfing, scheint jedoch zu viel Zeit vergangen zu sein, denn außer einer halben Handvoll nennenswerter Tracks kam zu der Zeit nicht viel heraus.
Nein, wie bei so vielen guten Gruppen sind es die verkannten 90er Jahre, die für fruchtbaren Boden sorgen. Und so erscheint Blue Lines, das erste Album, erst 1991. Es gilt, fast wie bei den Londoner Kollegen Chemical Brothers, als das unnerreicht beste Album. Das einzige originale Debutalbum eben, das übliche Argument. Hauptsächlich wegen dem Jahrhunderttrack Unfinished Sympathy (das für die deutsche Pseudo-Psychologensendung Zwei bei Kallwass als Titelmelodie missbraucht wurde; ich kann nicht glauben, dass ich das hier erwähne), das den Status eines der besten Songs aller Zeiten sowohl bei britischen Magazinen, als auch als international anerkannter, hochrangiger Dance-Track erreichte. Mein Favorit ist Blue Lines nicht wirklich. Es ist für mich schwer zu erreichen und mich darauf ein zu lassen.


Abgesehen von starken Startalben verbindet Massive Attack noch etwas mit anderen Größen des Business - sie kommen nicht gut miteinander klar. Dies gipfelte schließlich fast 10 Jahre später im demokratischen "Rauswurf" von Mitbegründer Andy Vowles, der mit dem bisher erfolgreichen Weg der Band unzufrieden war.
Kaum zu fassen eigentlich, waren die mittlerweile erschienenen Alben Protection (1994) und Mezzanine (1998) zu anerkannten Vorzeigealben mutiert.


2 - Butterfly Caught
I see myself in there upon my lover,
it's how you go down to the men's room sink.
Sad we talk of how madmen think.
I see myself in there upon my lover.
I don't know her from another miss.
I don't know you from another
See me run now you're gone.


Dream on***
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Auch wenn das zuletzt genannte Album durch mehrere Tracks glänzt, gilt es dem Eröffnungstitel Angel fast schon einen ganzen Absatz zu widmen. Was dieser Song aus tiefsten Tiefen der musikalischen Möglichkeit empor zieht, dabei fast die Kontrolle verliert, mit unsteter Hand jedoch diese Schöpfung gerade noch zu bändigen vermag und sie schließlich wieder in ungewisse Sphären entschlafen lassen kann, ist gelinde gesagt unheilig. Angel hat eine Power, die selbstverständlich nicht unerkannt blieb. Für mich, wie für viele, eigentlich der beste Track des damaligen Trios, und absoluter Vorzeigekandidat für Durchreisende und Einsteiger.
Der Welterfolg Mezzanine beherbergt ebenfalls den Superhit Teardrop** - der fast von Madonna gesungen worden wäre, hätte das bandinterne Votum kein positives Ergebnis für die Schottin Elizabeth Fraser bereit gehalten, die damit schließlich unsterblich wurde - sowie das gern gehörte Inertia Creeps*. Man kann mit Recht von einem Meisterwerk sprechen, das sich in einer hohen Liga zu seinesgleichen gesellen kann.

Protection, das Album davor, war von den genannten Alben eigentlich der stillste Gast. Ich meine, es ist das angenehmste ihrer Werke, geformt durch klare Aussagen und merkwürdig eingängige Melodien. Man kommt um die großen Werke Karmacoma und Three einfach nicht herum. Irgendwann muss man sie gehört haben. Besser ihr tut das jetzt.

Was das Album 100th Window, erschienen 2003, angeht, so konnte ich feststellen, dass es das mit Abstand psychedelischste Werk ist. Und das ist bemerkenswert, wenn man bedenkt, wie nahe sich diese Richtung mit der von Massive Attack vertretenen stehen. Der Track Butterfly Caught ist ein tief vergrabenes Juwel, das man erst einmal finden muss.

Der rote Faden an starken Hip Hop-Rhymes ist die klare Konstante bei Massive Attack. Dieses Zubehör ist wichtiger Hauptbestandteil dieses flegmatischen Genres. Mit dem 2010 erschienenen, neuesten, Album Heligoland (benannt nach dem deutschen Nordseearchipel), wurde ein Stück abgewichen, Melancholie hat es jedoch meiner Meinung nach nicht eingebüßt. Das ist für mich eigentlich das Wichtigste und Merkanteste an der Band. Natürlich abgesehen von den stark herausstechenden Gaststimmen von Sinéad O´Connor, Damon Albarn, Mos Def und vielen hier nicht genannten, die es schaffen eine Stimmung zu erzeugen, die in dieser Musikwelt einzigartig auf mich wirken.


3 - Paradise Circus
In deepest hollow of our minds
A system failure left behind
And their necks crane
As they turn to pray for rain
And their necks crane****

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Nüchtern betrachtet hat diese Gruppe über die Jahre hinweg viel Glück gehabt. Die Kollaborateure sind Eigenbrötler, die üblicherweise auch ohne einander arbeiten und Samples mixen. Die Liveshows schrieben selbst in den 90ern angeblich teilweise rote Zahlen und die Anzahl der Alben und der medialen erwähnenswerten Erscheinungen ist für die mehr als 20 Jahre Bandhistorie erschreckend gering. Macht gerade das Massive Attack aber so interessant? Dass sie irgendwie nie aufhörten ein bisschen Underground zu sein?
Fakt ist, dass wir ein paar Jahre werden warten dürfen, bis wieder etwas Interessantes aus ihrem Hause erscheint. Die Herren sind einstweilen mit Soundtracks und Features genug beschäftigt. Oder sie schweigen mal wieder the hell outta each other.

Wenn man sich, wie ich, die Zeit nimmt und einmal quer durch den Salat hört, sich die History jener Menschen gibt, sich die Ideen für die Musikvideos (allen voran einmal mehr das unsterbliche Teardrop**) ansieht, so bleibt als Endprodukt beeindrucktes Wohlwollen zurück.
Es gibt eine Menge Trauer und Einsamkeit bei Massive Attack zu holen, aber auf der anderen Seite viel Hoffnung und Selbstsicherheit. Es ist in beiden Fällen eine mentale Stütze. Etwas auf das man sich nach sorgenvollen Tagen konzentrieren kann, um es gehen zu lassen. Vielleicht sollte man sowas "musikalisches Yoga" nennen. Massive Kraftattacken aus dem Innenohr.

Trip-Hop also, sagt der Kenner nach dem Lesen dieser Strawpinion sofort und trifft auf Zustimmung.
"We used to hate that terminology [trip-hop] so bad,' laughs. 'You know, as far we were concerned, Massive Attack music was unique, so to put it in a box was to pigeonhole it and to say, "Right, we know where you guys are coming from."", gluckst Mitglied Daddy G (links im Bild).

Seems legit. Ich bin begeistert.

StrawHat
(hat sich an einer Genredefinition versucht)
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 STRAWPINIONS:

KATEGORIE KEIN DRUM ´RUM:

Absolute (unbekannte) Anspieltipps: Risingson***, Pray for Rain****, Spying Glass, Everywhen
Absolute (bekannte) Anspieltipps: Unfinished Sympathy, Angel, Inertia Creeps*, Butterfly Caught, Teardrop**, Psyche, Protection, Karmacoma 

LINKS:  

TEARDROP MUSIC VIDEO:  http://www.dailymotion.com/video/x1833y_massive-attack-teardrop_music

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