Dienstag, 14. Februar 2012

1.5.2 Linkin Park - Hybrid Theory


And now, for a lesson in rhythm management ...

Für die Bezeichnung Stimme einer Generation waren Linkin Park immer schon einen Tick zu spät dran. Nu-Metal war zur Jahrtausendwende schon längst ein alter Hut, durchdringende Texte über Selbstzerstörung schon seit etlichen Jahren und diversen anderen Genres anerkannt. Dabei ist die Entstehungsgeschichte der Band eine auf typische High School-Freundschaften basierende, die einige Jahre vor den Durchbruch zurückreicht.
Chester Benningtons Stimme brachte Mike Shinodas Band Hybrid Theory nämlich erst richtig auf ein Level, das den müßigen Gang zu potentiell interessierten Plattenfirmen in einige hoffnungsvolle Möglichkeiten verwandelte. Letztlich wurden sie durch eine Gelegenheit und den richtigen Kontakt im richtigen Moment durchgewunken.
Diese Begebenheit alleine bezeichnet also schon das zweischneidige Schwert von Linkin Parks musikalischem Bestehen. Jahre vor stilwechselnden Herausforderungen wie Bestseller-Album A Thousand Suns knallten sie einem einen wahnsinnig zugänglichen Einheitsbrei um die Ohren. Verpackt in ein schlichtes Konzept: Je bunter die Frisuren, desto düsterer die Gedanken.
Und sie brauchten Jahre um von dem Zeug, dass die Jungs und Mädels damals wirklich hören wollten, wegzukommen und ihr eigenes Linkin Park zu finden. Hybrid Theory ist der Anfang von alldem und ein gutes Stück Fundament meiner Entwicklung.

Track für Track dasselbe. Joseph Hahn, der mürrische Asiate an den Turntables, haut einen Beat raus, Chester singt, Mike rappt. Für notwendige Riffs wird gesorgt - na klar, ist ja auch eine Metal-Band. Doch die tiefe Tragweite von ordentlichen Gitarrenkünsten war nie der Fokus von Linkin Park. Es geht um die Melodie des kranken Herzen, die Umschreibung persönlicher Krisen und Unfähigkeit dagegen zu arbeiten. Textvielseitigkeit herrschte im frühen Stadium der Band nie, Textstärke hingegen schon. Egal ob Crawling, Papercut, In the End - die Kassenschlager und Preisträger sprachen vielen jungen Leuten aus der Seele, sorgten bei Veteranen für Skepsis und Ungläubigkeit.
Die einfache, unterhaltsame Erzählweise der Musikvideos reiht sich mittlerweile in eine fast alte Ära ein und nehmen in die Jahre gekommene Computereffekte gleich mit. Die gefühlte Ewigkeit seit der Veröffentlichung des Albums im Oktober 2000 kann nur durch möglichst intensive Erinnerungen in diese Zeit, in meinem Fall in die Jugend, überbrückt werden.
Zu dieser Zeit begeisterten mich Gruppen wie Linkin Park nämlich ungemein. Es war der erste Schritt in Richtung Musikgeschmack, der erste Text wird auswendig gelernt (Crawling), die erste Single mit anderen auf Gleichwertigkeit verglichen (One Step closer), der Player wird ersten Mal auf Repeat geschalten (Forgotten).
Die auf dem Cover von Libellenflügeln dargestellte Feinfühligkeit soll berühren, der vom gelernten Graphic Designer Mr. Shinoda entworfene Jarhead kloppt einem die beabsichtigte Erbarmungslosigkeit sinngemäß um die Ohren. Ist ja immerhin eine Metal-Band.

Mein Problem mit dem aktuellen Linkin Park konnte ich in dem Review über A Thousand Suns schon darstellen, andere Alben warten bereits auf diese Gelegenheit.
Mein Problem mit dem alten Linkin Park ist für mich selbst ein Stück weit unanfassbarer. Das Wissen über das einseitige Gegluckse in With you überspannt nicht die Aussagekraft, die sowohl die Originalversion als auch der Remix auf Nachfolgealbum [Reanimation], für mich hat. Die Erinnerung an so viele Nachmittage mit dem Gekreische in By myself und Joe Hahns freestylender Nummer Cure for the Itch (dieses Ding zwischen all die rockigen Nummern zu werfen muss sich wirklich wie eine Cure angefühlt haben) kann mir niemand mehr nehmen, selbst weiterentwickelter Musikgeschmack.

Natürlich muss man der sechsköpfigen Band zugute halten, dass sie Tracks wie Pushing me away schon zukunftsweisend zauberten und sich die Platte wie wahnsinnig verkaufte. Die Leute mussten verrückt nach dieser Schiene gewesen sein, die Linkin Park bis zum dritten Album beinhart ritt. Und selbst wenn der Emo-Rock mit jedem Schritt vorwärts auch hörenswerter wurde, ist und bleibt Chester Benningtons Entwicklung genauso grenzwärtig wie faszinierend - immerhin hatte der Mensch eine schwierige Vergangenheit.

Dieses Album begleitet mich jedenfalls seit Jahren und ich freue mich darüber wie zu Anfang. Es ist stimmungsvoll und emotional bis zum Gehtnichtmehr, mitreissend und aus heutiger Sicht fast erfrischend banal.
Andererseits muss man mit Linkin Park aufgewachsen sein, um jemals ein Gefühl dafür entwickeln zu können. Auf Hybrid Theory zeichnet sich das einfach am Deutlichsten ab. Nu-Metal mag nicht die beste Unterart des Genres sein, aber diese Jungs zelebrierten ihn damals richtig unterhaltsam und laut. 
Aber irgendwo ist es ja auch Metal.

StrawHat
(found no cure for the itch)
--------------------------------------

TRACKLIST & HIGHLIGHTS:

01 Papercut
02 One Step Closer
03 With you
04 Points of Authority
05 Crawling
06 Runaway
07 By myself
08 In the End
09 A place for my head
10 Forgotten
11 Cure for the Itch
12 Pushing me away

LINKS:

PAPERCUT MUSIKVIDEO: http://www.tape.tv/vid/52242

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen